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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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der Luft und setzen sich in Maggies Kopf wieder zusammen.
    »Glaub ich auch«, sagt sie. »Aber ich kann trotzdem nicht bleiben.«
    »Hast du vergessen, was er dir gestern angetan hat?«
    »Natürlich nicht.« Sie fasst sich an die Handgelenke, wo sich Armreife aus Schorf gebildet haben.
    »Wie kannst du dann so etwas denken?«
    Schweigend dreht sie sich zum Fenster. Sie will wieder die Wärme auf ihrem Gesicht spüren.
    »Nächstes Mal wird es noch schlimmer.«
    »Ich weiß.«
    »Vielleicht wird er dich nicht gleich töten, aber es wird auf jeden Fall schlimmer werden.«
    Sie nickt. Bordens Worte zwingen sie, sich in die Situation hineinzuversetzen: Wie sie am Bestrafungshaken hängt, mit violett angeschwollenen Händen und blutigen Handgelenken, während ihr Körper hilflos, schutzlos, hin und her baumelt. Wie oft hat sie das schon erlebt? Mindestens zwei Dutzend Mal, und es ist jedes Mal furchtbar.
    Wenigstens kann sie treten. Dadurch kann sie Henry eine Weile auf Abstand halten, aber nicht auf Dauer. Irgendwann muss sie aufhören, und wenn sie es tut, bestraft er sie nur noch härter. Oft reicht schon der Gedanke an den Bestrafungshaken, und sie fügt sich, selbst wenn die Schrecken des Albtraumlands so groß werden, dass sämtliche Zellen ihres Körpers rebellieren.
    »Ich weiß«, wiederholt sie.
    Aber jetzt, als die Morgensonne auf ihr Gesicht fällt, ist es ihr egal. Nein, die Bestrafung ist ihr nicht egal, sie hat unglaubliche Angst davor, aber es hilft nichts, sie muss das Risiko eingehen. Sie kann nicht länger hier unten bleiben. Erst recht nicht seit gestern. Seit gestern weiß sie, dass sie jedes Risiko eingehen wird.
    »Sogar wenn er dich umbringt?«
    »Sogar dann.«
    »Und was ist mit mir?«
    »Du kannst mitkommen.«
    »Das geht nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich kann hier nicht raus. Ich bin hier zu Hause.«
    »Du kannst dir ein neues Zuhause suchen.«
    »Nein. Ich wurde hier geboren. Da draußen kann ich nicht überleben.«
    »Versuch’s doch wenigstens.«
    »Nein. Es geht nicht. Ich kann hier nicht raus.«
    »Warum?«
    Keine Antwort.
    »Borden?«
    Immer noch keine Antwort. Dann: »Wenn du abhaust, sag ich’s ihnen.«
    »Das meinst du nicht ernst.«
    »Doch. Wenn du abhaust …«
    »Was dann?«
    »Du darfst nicht abhauen.«
    »Und du darfst es ihnen nicht sagen.«
    »Ich komm hier nicht raus, du kommst hier nicht raus.«
    »Du darfst es ihnen nicht sagen!«
    Er weicht einen Schritt zurück in die Schatten.
    »Borden?«
    Stille. Maggie schließt die Augen. Sie stellt sich vor, wie sie am Bestrafungshaken hängt, wie das Blut aus ihren aufgerissenen Handgelenken über die Arme rinnt. Sie spürt den schrecklichen Schmerz in ihren Schultern und Händen. Sie spürt jeden einzelnen Schlag.
    Nach einer Weile öffnet sie die Augen und späht in die Dunkelheit. Sie ist undurchdringlich wie ein schwarzes Tuch. Wer weiß, was sich in dieser Dunkelheit verbirgt.
    Du kommst hier nicht raus.
    Diego Peña hasst die Sonne. Wie sie da oben über den Bäumen prangt, ihr weißes Licht in seine Augen treibt und seinen dröhnenden Kopf grillt, während er die Flatland Avenue entlangfährt – als würde sie sich über ihn lustig machen! Wenn er könnte, würde er seine Dienstwaffe zücken und das Ding vom Himmel ballern, es einfach auspusten wie eine Kerze. Und zusehen, wie es auf den Boden klatscht, als wäre es ein toter Vogel.
    Er rülpst und muss schnell schlucken, um sich nicht zu übergeben. Das war knapp.
    Keine Ahnung, wie viel er gestern im Roberta’s getrunken hat. Auf jeden Fall zu viel. Er sollte einfach nicht mehr hingehen und das O’Connells zu seiner Stammkneipe machen. Im Roberta’s hat er sich einfach nicht im Griff.
    Seit er mitten in der Nacht wegen eines Ehekrachs zu Roberta und ihrem damaligen Noch-Ehemann Jimmy Block gerufen wurde und ihm eben dieser Mann eine Rolle Stacheldraht ins Gesicht geknallt hat, kann er bei ihr umsonst trinken. Genauer gesagt, seit sie die Bar sechs Monate später im Zuge der Scheidungsvereinbarung zugesprochen bekommen und den Namen geändert hat. Aus dem Jimmy’s wurde das Roberta’s, auch wenn sich einige Stammgäste bis heute weigern, den neuen Namen zu benutzen, und es weiter Jimmy’s nennen. Aber egal. Diego rülpst noch einmal und schluckt noch einmal herunter, was immer da in seiner Kehle aufsteigt. Hätte er mal lieber nicht die Reste vom gestrigen Ochsenschwanzragout gefrühstückt. Aber er dachte eben, er hätte lange genug vor der Toilette gekniet, und

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