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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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warten, bis er antworten kann. »Ich weiß.«
    »Deine Lunge war kollabiert.«
    Ian nickt.
    Debbies Blick senkt sich auf ihren Schoß. Sie runzelt die Stirn. »Die Zwillinge sind noch so jung. Sie werden sich nicht an Bill erinnern. Sie werden groß werden und sich nie an ihren Vater erinnern.«
    Lange Zeit treibt Ian auf dem unwirklichen Floß seines Halbbewusstseins. Erst nach einer Weile wird ihm klar, was Debbie gesagt hat. »Vielleicht«, murmelt er, »vielleicht ist es besser so. Wenn es schon so kommen musste. Vielleicht vermisst man etwas weniger, wenn man sich nicht daran erinnern kann.«
    »Ich fürchte, so einfach ist das nicht.«
    Er drückt ihre Hand. »Es tut mir so leid. Bill hat dich glücklich gemacht. Du hast es verdient, glücklich zu sein.«
    Debbie nickt, ohne etwas zu sagen, und dreht sich zu dem leeren Stuhl in der Ecke.
    »Haben sie ihn wenigstens erwischt?«, fragt Ian, als sie nach einer halben Minute immer noch auf den leeren Stuhl starrt. »Ist Maggie in Sicherheit?«
    Debbie schüttelt den Kopf. »Bill ist tot, Chief Davis ist noch lange nicht über den Berg, er hat kein Gesicht mehr, und wenn er durchkommt, muss er sich sein Leben lang durch einen Schlauch ernähren, du liegst hier – und dieser verdammte Hurensohn hat Maggie immer noch in seiner Gewalt. Das ist nicht fair, das ist einfach nicht …« Der Satz endet in einem erstickten Schluchzen. Mit bebenden Schultern starrt sie auf den Boden.
    »Wir werden sie zurückbekommen, Deb.«
    »Wie denn?«
    »Ich weiß es noch nicht, aber wir werden sie befreien. Ich überleg mir was.«
    Wieder drückt er ihre Hand, bevor er von der nächsten Hustenattacke überwältigt wird. Schmerz sickert durch seinen Körper wie ätzendes Gift, ein weiterer Schwung Blut und Eiter fließt aus seiner Brust in den Katheter.
    »Scheiße«, sagt er und atmet durch. »Ich überleg mir was. Bald ist sie wieder bei uns, dafür werde ich sorgen. Versprochen.«
    »Glaubst du das wirklich?«
    »Ja.«
    Debbie nickt. »Dann glaub ich es auch.«
    Die Sonne, die schon halb am westlichen Horizont versunken ist (und dadurch Maggie an eine umgekehrte Grapefruithälfte auf einem Tisch erinnert), spuckt ihr pinkes Licht in den Nachthimmel. Der Ford Ranger hält direkt auf sie zu, aber Maggie weiß, wenn sie wirklich dorthin wollen, werden sie nie ankommen. Sie erinnert sich an ein Gespräch mit Daddy – sie hatte ihn gefragt, warum Motten immer um Glühbirnen herumschwirren. Das ist so, antwortete er, in der Nacht orientieren sich Motten am Mond, sie wollen unbedingt zum Mond fliegen, auch wenn sie niemals ankommen. Und wenn sie eine Glühbirne sehen, denken sie, das ist der Mond. Aber wenn sie dann bei der Glühbirne ankommen, wissen sie plötzlich nicht mehr, was sie tun sollen, denn den Mond, das haben sie gelernt, werden sie sowieso nie erreichen. Deshalb haben sie sich nie überlegt, was sie tun sollen, wenn das doch einmal passiert.
    »Irgendwie traurig«, sagte Maggie.
    Aber Daddy zuckte nur die Schultern und biss das Ende seiner Zigarre ab.
    Henry schaut über ihren Kopf hinweg zu Beatrice. »Wie geht’s da drüben?«
    »Ich blute immer noch, und mir ist furchtbar schwindlig. Aber wie hab ich mich denn bloß geschnitten? Hast du’s gesehen, Sarah?«
    Maggie schüttelt den Kopf. Im Fußraum hat sich eine große Blutlache gebildet. Beatrice ist blass, sie schwitzt stark. Fast hätte sie es geschafft. Fast. Beatrice ist umgekippt wie ein gefällter Baum, genau, wie sie es sich vorgestellt hatte, sie hat geschrien und ist umgekippt. Doch dann hat Maggie ihren Plan vergessen – statt zu warten, bis Henry die Treppe runterkommt, hat sie versucht, an Beatrice vorbeizurennen, aber Beatrice hat sie gepackt, am Knöchel, sie hat sie am Knöchel festgehalten und gekeucht: »Was war das, Sarah?« Maggie ist gestürzt und mit dem Kinn auf die dritte Stufe von unten geknallt, ihre Nase hat sich ganz komisch zurückgebogen, und auf einmal war ihr Gesicht voller Blut. Alles um sie herum wurde grau, ein grauer Nebel breitete sich aus, und als er sich wieder verzogen hatte, war Henry schon da. Er hat Beatrice die Treppe raufgezerrt und oben die Tür abgeschlossen. Ein paar Minuten später ist er zurückgekehrt, hat Maggie gepackt und auch sie rausgetragen. Da hat sie Daddy gesehen, wie er im Kies lag mit dem blutigen Loch in der Brust.
    »Da vorne«, sagt Henry.
    Er deutet auf ein kleines Backsteinhaus eine Viertelmeile abseits der Straße. Unter dem rosaroten Himmel rupfen ein

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