Cop
nicht mal, mit wem er es zu tun bekommt. Aber egal, ihm wird schon was einfallen. Wie immer.
Kurz überlegt er, die Lupara hinten in die Jeans zu stecken, entscheidet sich dann aber dagegen. Wahrscheinlich wird er sie nicht brauchen. Besser, die Schrotflinte bleibt vorerst unter dem Fahrersitz.
In diesem Moment öffnet sich die Haustür. Ein Mann um die fünfunddreißig tritt auf die Veranda, eine dürre Vogelscheuche in Jeans und T-Shirt und ohne Schuhe an den Füßen. Als er mit zusammengekniffenen Augen zu ihnen hinüberspäht, hebt Henry die Hand, winkt und lächelt. Der Mann erwidert den Gruß und bückt sich zu einem Paar Stiefel, das neben der Schwelle steht. Er hüpft erst auf dem einen, dann auf dem anderen Fuß herum, bis er die Stiefel endlich angezogen hat und losgehen kann. Kurz vor dem Tor schießt ein Schwall brauner Tabaksaft aus seinem Mund und klatscht mit einem Geräusch wie ein feuchter Furz in das matschige Rinnsal vor seinen Füßen.
Henry lächelt und streckt die Hand über die Schranke. »Tag auch.«
»Tag.« Der Typ schüttelt ihm die Hand. »Habt euch wohl verfahren, was?«
»Nee, gar nicht. Wir brauchen nur kurz Hilfe.«
Der Typ weicht einen Schritt zurück und kneift die Augen zusammen. »Warum?«
»Meine Frau hat sich wehgetan.«
»Ach ja?«
»Ja. Wir haben kurz angehalten, damit sie, na ja, damit sie ihr Geschäft machen kann, und plötzlich ist sie auf den Arsch gefallen. Ich hab mich halb totgelacht – ist nicht besonders höflich, ich weiß, mein Gott, ist halt einfach über mich gekommen –, aber dann stellt sich heraus, sie hat sich in den Knöchel geschnitten, und zwar ziemlich übel. Wir haben keine Ahnung, wie das passiert ist. Wollten auch nicht länger bleiben, um’s herauszufinden.«
»Ist es schlimm?«
»Ja, schon.«
»In Ordnung. Kommt rein.«
Als der Mann das Vorhängeschloss löst, schwingt das Tor von allein in einer tief in die Erde eingegrabenen Rille nach innen, bis es im hohen Gras der Böschung zum Stehen kommt. Nach einem letzten Blick auf die Sonne, die gerade endgültig am Horizont versinkt, dreht er sich um und geht zum Haus.
Fast hätte Henry ihm geraten, den Anblick zu genießen. Gut möglich, dass der die Gelegenheit nie wieder haben würde.
Flint, so hat der dürre Mann sich ihnen vorgestellt, hilft Beatrice ins Haus und setzt sie behutsam auf einen Stuhl, den er mit dem Fuß unter dem Tisch hervorgeangelt hat. Währenddessen geht seine Frau Naomi, ein hübsches Mädchen Anfang bis Mitte zwanzig, auf und ab, ringt die Hände und sagt: »Was sollen wir denn jetzt tun, Flint?«
»Wir rufen Doc Peterson an.«
»Nein!«, erwidert Henry vielleicht eine Spur zu scharf.
Flint kneift die Augen zusammen. »Warum nicht?«
»Weil … weil ich so was lieber selber erledige. So schlimm ist es auch wieder nicht.«
Flint betrachtet ihn aufmerksam, dann dreht er sich um, lutscht noch einmal an dem Tabakklumpen unter seiner Zunge, nimmt eine Coladose vom Tisch und spuckt einen Schwall braunen Speichel hinein. Danach wischt er sich über das feuchte Kinn und stellt die Dose zurück auf den Tisch. »Wie ist das mit dem Knöchel noch mal passiert, Kumpel?«
»Hab ich dir doch erklärt. Behauptest du vielleicht, ich würde lügen?«
»Ich behaupte gar nichts.«
»Hört sich aber so an.«
»Und warum willst du keinen Arzt?«
»Kann ich mir nicht leisten.«
»Peterson ist Tierarzt. Wird dich keine fünfzig Mäuse kosten.«
»Wenn du Nadel und Faden dahast, flick ich sie schnell selber zusammen. Ein Angelhaken mit ein bisschen Schnur tut’s auch. Man braucht nur den Widerhaken abzubrechen, und schon kann man loslegen.«
»Ich weiß nicht …«
»Bee. Kannst du den Fuß bewegen?«
»Glaub schon.«
»Versuch’s doch mal.«
Beatrice streckt das Bein und versucht, ihren Fuß nach rechts zu drehen. Nach einer Weile schafft sie es, auch wenn sie dabei leise wimmert.
»Geht doch wunderbar.«
»Trotzdem«, sagt Flint. »Wir sollten den Arzt holen.«
»Ist ja nett von dir, dass du dir solche Sorgen machst«, erwidert Henry. »Aber das hier ist immer noch meine Entscheidung. Klar?«
Flint kratzt sich an der Wange. »Okay. Holst du mal mein Angelzeug, Naomi?«
Ian lässt den schmutzig weissen Hörer von den Fingerspitzen gleiten und hört zu, wie er klappernd auf die Gabel rutscht. Er fühlt sich wie betäubt.
»Stimmt was nicht?«, fragt Debbie.
Als er schlucken muss, spürt er den Schmerz wieder. »Hilf mir mal auf. Ich kann hier nicht länger
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