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Umkleideraum schleichen. Dieser Saal ist noch beeindruckender als der mit den Golem-Soldaten. Vielleicht deshalb, weil es hier keine Seele gibt. Die Dito-Armee war immerhin noch menschlich. In gewisser Weise. Doch dieses Arsenal hat die kalte Unpersönlichkeit von lebloser Ausrüstung. Die leeren Anzüge erinnern mich an Roboter, ohne Verantwortung und Gewissen.
Glücklicherweise kommen wir schnell voran. Wenige Minuten später erreichen wir die andere Seite, und ich bin froh darüber, die »Geister« zu verlassen!
Als wir den »Umkleideraum« verlassen, winkt mich Chen zur Brüstung eines Balkons. »Das müssen Sie sehen, Albert! Sie finden es bestimmt interessant, wenn Clara auch nur ein bisschen Einfluss auf Sie hat.«
Ich trete an seine Seite und stelle fest, dass der Balkon Blick in eine dritte Höhle weiter unten gewährt – dort befindet sich die größte Ansammlung von Waffen, die ich je gesehen habe. Alles ist ordentlich gestapelt oder liegt in Regalen: von kleinen Handfeuerwaffen über Flammenwerfer bis zu Ein-Mann-Helikoptern und Individualjägern. Es ist ein gewaltiges Zeughaus der Vernichtung, eine zentrale Bibliothek des Krieges.
Chen schüttelt den Kopf, voller Sehnsucht.
»Sie bestehen darauf, den besten Kram hier unten zu behalten, in Reserve. Nur für den Fall, heißt es. Aber ich wünschte, wir könnten oben Gebrauch davon machen, bei den geplanten Konfrontationen. Zum Beispiel beim Match gegen die Indos, gegen die wir in dieser Woche kämpfen. Zähe Burschen. Es wäre toll, wenn wir…«
Der Dit-Corporal unterbricht sich plötzlich und neigt den Affenkopf zur Seite.
»Haben Sie gerade etwas gehört?«
Für eine Sekunde denke ich, dass er mich aufziehen will. Dieser Ort wirkt geisterhaft genug.
Doch dann… Ja, ein fernes Murmeln. Ich höre es jetzt.
Ich sehe nach unten und bemerke Gestalten, die sich zwischen den fernen Regalreihen bewegen. Einige von ihnen sind pechschwarz, andere stahlgrau. Sie tragen Instrumente und Klemmbretter, sehen sich bei den gestapelten Waffen um.
»Mist!«, flucht Chen leise. »Offenbar findet eine Kontrolle statt! Aber warum jetzt?«
»Ich glaube, ich kenne den Grund.«
Er sieht mich aus dunklen Affenaugen an, und plötzlich dämmert es ihm.
»Die Rakete! Das Ding, das Ihr Haus zerstört und Ihren Archi getötet hat. Ich habe an einen zusammengebastelten Apparat gedacht, wie ihn urbane Punks und Kriminelle in Kellern zusammenbauen. Doch die hohen Tiere scheinen zu vermuten, dass die Rakete von hier stammt. Verdammt, ich hätte daran denken sollen!«
Was soll ich sagen? Die Möglichkeit kam mir schon vor einer ganzen Weile in den Sinn, aber ich wollte Chen nicht erschrecken, während er so hilfsbereit ist.
»Warum sollte jemand beim Militär meinen Tod wollen? Ich gebe zu, Clara hat einige Male damit gedroht, mir den Arm zu brechen…«
Der Scherz verfehlt seine Wirkung. Chen bekommt es mit der Angst zu tun.
»Sie müssen weg von hier. Sofort!«
»Aber Sie haben versprochen, uns…«
»Da dachte ich, dass wir hier niemanden antreffen würden! Und ich wusste nicht, dass militärische Hardware an dieser Sache beteiligt sein könnte. Ich darf auf keinen Fall zulassen, dass Sie einer Gruppe von strengen Kontrolleuren begegnen!« Chen stößt mich an. »Holen wir Miss Maharal und…«
Er spricht nicht weiter, und wir drehen uns beide um.
Ritu war direkt hinter uns.
Jetzt ist sie nicht mehr da. Nur die hängenden Coveralls bewegen sich – eine langsam verebbende Welle aus Rümpfen und Helmen, die hinter Ritu freundlich nicken und sich verbeugen.
BLITZENDE REALITÄT
… ALS DER KLEINE ROTE HERUMGESTOSSEN WIRD…
Es kann schwer sein, den Geist eines Genies zu ergründen.
In der Öffentlichkeit kursiert ein Bild von einem Genie, das nicht nur gute Seiten hat: impulsiv, dramatisch, ein wenig schrullig und mehr als nur ein wenig gefährlich. Es fördert die bei Grenzfällen weit verbreitete romantische Vorstellung, dass man außergewöhnlich sein muss, um talentiert zu sein. Unausstehlich, um in Erinnerung zu bleiben. Arrogant, um ernst genommen zu werden.
Vielleicht hatte Yosil Maharal in Kindheit und Jugend zu viele schlechte Vids gesehen, denn er verkörperte das Klischee voll und ganz. Allein in seiner Feste, ohne jemanden, dem er Rechenschaft ablegen musste – sogar ohne sein reales Selbst – kann er die Rolle des verrückten Wissenschaftlers voll ausspielen. Schlimmer noch: Er hält einen Aspekt von mir für den Schlüssel eines
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