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Rätsels, seine einzige Chance auf ewiges Leben.
Gefesselt und gefangen in seinem Laboratorium regt sich etwas Vertrautes in mir: der Lachsreflex. Ein Ruf, den die meisten Golems am Ende eines langen Tages vernehmen. Der Drang, für den Inload heimzukehren. Und die sonderbaren Maschinen um mich herum verstärken ihn um ein Vielfaches.
Ich bin immer in der Lage gewesen, diesen Ruf zu ignorieren, wenn es die Umstände erforderten. Doch diesmal ist der Reflex sehr intensiv. Er wird zu einem schmerzhaften Bedürfnis, als ich an meinen Fesseln zerre und gar nicht darauf achte, ob ich meinen Körper dabei beschädige. Ein Millionen Jahre alter Instinkt fordert mich auf, den Körper zu schützen, den ich trage. Aber der Ruf ist stärker. Er sagt, dass dieser Körper nicht wichtiger ist als billige Papierkleidung. Auf Erinnerungen kommt es an…
Nein. Nicht auf Erinnerungen. Auf mehr. Auf…
Ich verfüge nicht über die Terminologie eines Wissenschaftlers. Derzeit spüre ich nur den Drang zur Rückkehr in mein reales Gehirn.
In ein Gehirn, das gar nicht mehr existiert, wenn DitYosil Recht hat. Vor einer Weile habe ich von ihm erfahren, dass der reale Albert Morris – der Körper, den meine Mutter vor mehr als zwölftausend Tagen zur Welt brachte – spät am Dienstag zerfetzt worden ist. Zusammen mit Haus und Garten. Mit den Schulzeugnissen und der Scout-Uniform. Mit den Sportpokalen und der Dissertation, die ich eines Tages fertig stellen wollte… Und mit Souvenirs von mehr als hundert Fällen, die ich gelöst habe – die schlimmsten von mir entlarvten Schurken mussten sich einer Therapie unterziehen oder kamen ins Gefängnis.
Zusammen mit der Kugelnarbe in meiner linken Schulter, die Clara gestreichelt hat, wenn wir uns liebten – manchmal fügte sie ihr Zahnabdrücke hinzu, die nur langsam aus meinem widerstandsfähigen Realfleisch verschwanden. Das nicht mehr existiert. Behauptet Yosil.
Ich habe keine Möglichkeit festzustellen, ob Maharal in dieser Hinsicht die Wahrheit sagt. Aber warum sollte er einen hilflosen Gefangenen belügen?
Verdammt. In habe schwer in dem Garten gearbeitet. Die Aprikosen wären nächste Woche reif gewesen.
Gut, auf diese Weise erziele ich Fortschritte – ich lenke mich mit sinnlosem innerem Geschwafel ab. Es ist eine Möglichkeit, Widerstand zu leisten. Aber wie lange gelingt mir das, bis mich der verstärke Rückkehrdrang zerreißt?
Außerdem spricht auch der Golem-Maharal. Schwatzt, während er an der Konsole arbeitet. Vielleicht will er auf diese Weise seine Nerven beruhigen. Oder es ist Teil eines teuflischen Plans, mich zu quälen.
»… Es begann also alles, Jahrzehnte bevor Jefty Annonas die Stehende Welle entdeckte. Zwei Typen namens Newberg und d’Aquili untersuchten Variationen in menschlichen neuralen Funktionen und verwendeten dabei primitive Imaging-Apparate aus der Zeit um die Jahrhundertwende.
Sie entdecken, dass religiöse Adepten – von buddhistischen Mönchen bis hin zu ekstatischen Evangelisten – irgendwie lernten, Aktivitäten in dem besonderen neuralen Bereich zu unterdrücken, dessen Funktion darin besteht, sensorische Daten miteinander zu verknüpfen und ein Gefühl davon zu erzeugen, wo das Selbst endet und der Rest der Welt beginnt.
Jene Heilssucher schafften es, die Wahrnehmung einer Grenze oder der Trennung von Selbst und Welt zu eliminieren. Ein Effekt bestand aus dem Empfinden kosmischer Einheit beziehungsweise des Verschmelzens mit dem Universum, und damit einher ging eine Ausschüttung von Endorphinen und anderen Glückssubstanzen, die den Wunsch stimulierten, den gleichen Zustand noch einmal zu erreichen.
Mit anderen Worten: Gebet und Meditation induzierten eine physisch-chemische Sucht nach Heiligkeit und Einheit mit Gott!
Andere Forscher suchten unterdessen nach dem Sitz des Bewusstseins, nach dem Ort, an dem unser Selbst existiert. Im Abendland neigt man zu der Annahme, dass sich das Bewusstsein hinter den Augen befindet. Aber in einigen nicht der westlichen Welt zuzurechnenden Volksgruppen sind andere Vorstellungen verbreitet. Dort glaubt man, das wahre Selbst wohne in der Brust, in der Nähe des schlagenden Herzens. Bei Experimenten ergab sich, dass man Personen dazu bringen konnte, die Vorstellung vom Aufenthaltsort des Selbst zu verschieben. Die betreffenden Individuen lernten, sich ihr Selbst außerhalb ihres Körpers vorzustellen, untergebracht in einem anderen Objekt… zum Beispiel in einer Puppe aus Ton!«
Während seines
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