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begeistert davon, und deshalb mache ich einige Aufnahmen für später.
Gesprächsfetzen wehen mir entgegen, als man mich in eine Bibliothek führt, die jetzt einem traurigeren Zweck dient. Auf dem wundervollen Eichentisch liegt ein Sarg aus Kirschholz mit offenem Deckel. Jemand ist darin aufgebahrt. Ich sehe etwa ein Dutzend menschliche Gestalten, aber nur zwei von ihnen sind real: die Leiche und eine trauernde Tochter.
Ich sollte mich Ritu nähern, denn immerhin hat sie mich gerufen. Aber es ist ein platinfarbener Kaolin-Dito, der die Szene dominiert. Der gleiche, dem ich heute Morgen begegnet bin? Das scheint der Fall zu sein, denn er nickt mir kurz zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder einem Vid-Anruf widmet – vermutlich spricht er mit Untergebenen und Beratern. Alle Gesichter auf dem Schirm wirken besorgt. Yosil Maharal war ein wichtiges Mitglied ihrer Organisation. Ein bedeutendes Projekt könnte in Schwierigkeiten geraten sein.
Verdammt. Ich habe halb gehofft, dass Kaolin seine silberne Kuppel verlassen und sich bei dieser tragischen Szene zeigen würde. Vielleicht ist er ein wahrer Einsiedler.
Ein pechschwarzer technischer Spezialist hält einen Instrumentenstab über den Sarg, und Kaskaden aus glitzerndem Licht streichen über die Leiche. Dann wendet sich der Experte an Ritu Maharal.
»Ich habe alle Scans wiederholt, Miss. Auch in diesem Fall deutet nichts darauf hin, dass hinter dem Tod Ihres Vaters mehr steckt als ein Unfall. Keine Gifte oder schwächenden Drogen. Keine Nadelstiche oder Infusionsspuren. Keine Spuren organischer Beeinträchtigungen. Seine Körperchemie zeigt Anzeichen extremer Erschöpfung, was erklärt, warum er beim Überqueren des Viadukts am Steuer eingeschlafen ist. Dies stimmt mit den Untersuchungsergebnissen der polizeilichen Ermittlung überein – am Unglücksfahrzeug hat sich niemand zu schaffen gemacht. Und nichts deutet auf andere Personen hin, weder im Wagen noch in dessen Umgebung. Es tut mir Leid, wenn Ihnen diese Neuigkeiten missfallen. Aber Unfalltod scheint der korrekte Befund zu sein.«
Ritus Gesicht wirkt wie aus Stein gemeißelt und ist fast Dito-Weiß. Sie bleibt stumm, selbst als ein großer Grauer an sie herantritt und den Arm um sie legt. Es ist ein Duplikat ihres Vaters – die Kopie, der ich vor einigen Stunden begegnet bin –, mit einem Gesicht, das dem der Leiche ähnelt. Natürlich kann keine von Menschen entwickelte Prozedur die Textur echter Haut nachbilden, die Jahrzehnte überdauert, aber nach mehr als einem halben Jahrhundert abgenutzt aussieht.
Das Maharal-Duplikat blickt auf sein reales Selbst hinab und weiß, dass bald ein zweiter, geringerer Tod folgen wird. Ditos können ihre Erinnerungen nur in das Original inloaden, von dem sie stammen. Der Schabloneneffekt. Er hing jetzt in der Leere – es gab kein reales Gehirn mehr, zu dem er zurückkehren konnte. Für ihn gab es nur noch eine tickende Ablaufuhr und Pseudozellen, denen schnell die Lebenskraft ausging.
In gewisser Weise ist Yosil Maharal noch im Reich der Lebenden verblieben und denkt über seinen Tod nach. Aber in einigen Stunden wird auch sein Grauer verschwunden sein.
Ritu scheint das zu spüren, schlingt beide Arme um ihren Daddit und drückt zu… doch nur kurz. Nach einigen Sekunden lässt sie die Arme sinken und sich von einer matronenhaften Grünen fortführen. Vielleicht ein altes Kindermädchen oder eine Freundin der Familie. Beim Weggehen wendet sie den Blick von beiden Vätern ab, vom toten ebenso wie vom sterbenden.
Sie sieht mich nicht.
Was soll ich tun? Ihr folgen?
»Geben Sie ihr etwas Zeit«, erklingt eine Stimme.
Ich drehe mich um und sehe DitMaharal in der Nähe.
»Seien Sie unbesorgt, Mr. Morris. Meine Tochter ist unverwüstlich. In einer halben Stunde wird es ihr viel besser gehen. Ich weiß, dass Ritu mit Ihnen reden möchte.«
Ich nicke. Gut. Ich werde für jede Minute bezahlt. Dennoch, Neugier treibt mich an, ob ich nun in Fleisch oder Ton unterwegs bin.
»Sie glaubt, man hätte Sie ermordet, Doc. Stimmt das?«
Der Graue zuckt mit den Schultern und wirkt reumütig. »Als wir uns heute Morgen begegnet sind, muss ich seltsam geklungen haben. Vielleicht ein bisschen paranoid.«
»Sie haben die Sache heruntergespielt. Doch ich gewann den Eindruck…«
»… dass es mehr gibt? Wo Rauch ist, brennt ein Feuer?« DitMaharal nickt und breitet kurz die Arme aus. »Ich war dabei, mich von der Panik zu erholen, als ich diese Kopie herstellte. Es fühlte sich
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