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an, wie aus einem bösen Traum zu erwachen. In gewisser Weise empfinde ich noch immer so.«
»Aus einem bösen Traum?«
»Der Vorstellung von verrückt gewordener Technik, Mr. Morris. Vielleicht haben auch Fermi und Oppenheimer diese Furcht kennen gelernt, als sie beim Trinity Site den ersten Atompilz sahen. Oder so etwas wie Frankensteins Fluch, der lange auf sich warten ließ, sich dafür aber umso stärker auswirkt.«
Diese Worte hätten meinem Original das kalte Grausen beschert. Selbst als Grauer schaudere ich.
»Aber jetzt fühlen Sie nicht mehr so?«
Maharal lächelt. »Ich habe doch gerade von einer Vorstellung gesprochen, oder? Die Menschheit hat es geschafft, der Zerstörung durch Atombomben und Designerviren zu entgehen. Vielleicht sollten wir besser darauf vertrauen, dass der Mensch den Herausforderungen der Zukunft mit Vernunft begegnet.«
Jetzt macht er ganz auf harmlos, denke ich.
»Könnten Sie mir dann bitte erklären, warum Sie sich versteckt haben? Glaubten Sie sich von jemandem verfolgt? Und warum haben Sie die Meinung geändert? Vielleicht hatte Ihr Original nach Ihrer Herstellung einen Rückfall. Der Unfall lässt Schlaflosigkeit aufgrund von Angst vermuten, vielleicht sogar Panik.«
Maharals Dito denkt darüber nach und begegnet meinem Blick, zwei Graue unter sich. Doch bevor er antworten kann, nähert sich Rik Aeneas Kaolin mit ernster Platinmiene.
»Alter Freund…«, wendet er sich an DitMaharal. »Ich weiß, dass dies eine schwere Zeit für dich ist, aber wir müssen retten, was gerettet werden kann. Deine letzten Stunden sollten gut genutzt werden.«
»Was meinst du damit?«
»Informationsgewinnung. Deine Arbeit muss der Nachwelt erhalten bleiben.«
»Ah. Ich verstehe. Eine Million Netztroden, die mit Druckinjektionen in mein Gehirn getrieben werden, dann ein Bad aus Gammastrahlen für die Anfertigung eines Ultratomogramms. Und anschließend werden alle Pseudoneuronen durch ein molekulares Sieb gepresst. Klingt nicht nach einer angenehmen Weise, meine letzten Momente zu verbringen.« Maharal überlegt, und in seinem Gesicht zeigt sich dabei sehr realistisch wirkende Anspannung. Er hat mein Mitgefühl. »Aber ich nehme an, du hast Recht. Wenn etwas erhalten werden kann…«
DitMaharals Widerstreben ist verständlich. Ich würde mich gewiss nicht über so etwas freuen. Aber wie sonst sollen Informationen gewonnen werden? Nur das menschliche Original kann die volle Erinnerung eines Duplikats inloaden – weder eine andere Person noch ein Computer kann die originäre Menschenschablone ersetzen. Wenn das Original verschwunden oder tot ist, muss man das Gehirn der Kopie physisch durchsieben, um einfache Sepiabilder zu bekommen – für Maschinen lassen sich nur solche Daten aus Golemfleisch gewinnen.
Der Rest – die Stehende Welle des Bewusstseins, der zentrale Sinn des Selbst, den manche Seele nennen – ist kaum mehr als nutzlose Statik.
In diesem Zusammenhang fällt mir ein altes Rätsel ein. Sind die Farben, die ich sehe, die gleichen, die du siehst? Wenn du an einer Rose schnupperst, nimmst du dann den gleichen wundervollen Duft wahr wie ich, wenn ich an der gleichen Blume rieche?
Heute kennen wir die Antwort.
Sie lautet Nein.
Wir verwenden ähnliche Ausdrücke, um einen Sonnenuntergang zu beschreiben. Unsere subjektiven Welten stimmen oft überein oder überlagern sich an bestimmten Stellen. Dadurch werden Kooperation, Beziehungen und sogar komplexe Zivilisationen möglich. Doch die tatsächlichen Wahrnehmungen und Gefühle einer Person bleiben für immer einzigartig. Denn ein Gehirn ist kein Computer, und Neuronen sind keine Transistoren.
Deshalb ist Telepathie unmöglich. Weil es jeden von uns nur einmal gibt, weil wir uns auf einem fundamentalen Niveau für immer fremd bleiben.
»Ich lasse dich von einem Wagen zum Labor bringen«, sagte DitKaolin zu DitMaharal und klopft so auf den Arm seines Freunds, als wären sie beide real.
»Ich möchte bei der Informationsgewinnung zugegen sein«, werfe ich ein.
Davon ist Kaolin nicht sehr erfreut. Erneut fällt mir ein Zittern seiner elegant geformten Hand auf, und er runzelt die Stirn.
»Dabei geht es um vertrauliche Unternehmensdaten…«
»Einige der gewonnenen Bilder geben vielleicht Aufschluss über das, was mit dem armen Mann passiert ist.« Ich zeige zu RealMaharal, der kalt in seinem Sarg liegt. Unausgesprochen bleib der Umstand, dass mich die einzige rechtmäßige Erbin des Toten engagiert hat. Ritu könnte mich
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