Copy
durch die Menge, um ihren Schwestern mitzuteilen, dass der Mietspion eingetroffen ist.
Warum sollte ich meine letzten achtzehn Stunden damit verbringen, für Leute zu arbeiten, die ich nicht mag, bei einer Sache, die ich nicht verstehe? Warum nicht fliehen? Die Straße ist nur Meter entfernt.
Aber wenn ich geflohen wäre, wohin dann? RealAlbert würde mich zwingen, meine ganze restliche Zeit bei einem Schnellverfahren zu verbringen und gegen die Vertragsbruchklage der Maestra zu kämpfen. Außerdem behält man mich wahrscheinlich im Auge; vermutlich ist ein Beobachtungsstrahl auf mich gerichtet. Ich sehe weitere Kopien der gleichen umbrafarbenen Frau: Sie eilen hin und her, servieren Getränke, wischen auf, wo etwas verschüttet wurde, und fegen zerbrochene Teile von Gästen zusammen. Einige der Roten blicken in meine Richtung. Einen Fluchtversuch hätten sie bestimmt bemerkt.
Ich mache mich auf den Weg zum Tisch und wate durch einen Mahlstrom aus Lärm. Es ist lebender Lärm, der den Körper packt und nicht loslassen will, jede einzelne Bewegung behindert. Ich mag diese »Musik« nicht, im Gegensatz zu den bunten Tänzern, die sich auf dem Tanzboden gegeneinander werfen. Tönerne Fetzen fliegen wie von der Scheibe eines Töpfers.
Bei unverbesserlichen Partygängern heißt es: Wenn es der Dito in einem Stück nach Hause schafft, hat man nicht richtig Spaß gehabt.
ICH SEHE SITZNISCHEN an den Wänden. Andere Gäste haben an offenen Tischen Platz genommen, die auffallende Holo-Bilder projizieren: wirbelnde Abstraktionen, Bildnisse oder sich drehende Stripper. Einige von ihnen ziehen den Blick an, selbst wenn man sich dagegen sträubt.
Ich bahne mir vorsichtig einen Weg durch die Menge und erreiche ein Randminimum, wo sich die Schalldämpfer überlappen und alle Geräusche reduzieren, wie im Innern eines gepolsterten Sargs. Gesprächsfetzen aus verschiedenen Teilen des Lokals wehen mir entgegen.
»… und da kriecht mir dieses Kletterding am Bein hoch. Ich sehe nach unten und stelle fest, dass es Josies Gesicht hat, und es grinst von einem Ohr bis zum anderen! Mir blieben etwa drei Sekunden, um zu entscheiden, ob sie das Ding geschickt hatte, um mich zu vergiften, oder ob sie sich entschuldigen wollte! Na, kannst du dir meine Situation vorstellen?«
»… nahm die Kommission schließlich meine Dissertation an, aber sie schlug eine Perversionssteuer drauf, wegen ›sadistischer Themen‹! Ist das zu fassen? Ich wette, keiner der alten Säcke hat jemals de Sade gelesen!«
»… oh… probier das mal… Hältst du es für möglich, dass sie das Benzol verdünnen?«
Noch ein Schritt, und ich bin aus dem Randminimum heraus. Ein doppelt verstärktes Gebrüll lässt mich taumeln. Schreie kommen aus der Grollgrube, in der sich angeberische Narren gegenseitig das Pseudofleisch zerschneiden, während sich andere Gäste als Trophäen für den Sieger anbieten. Der letzte Gewinner steht vor seinem dampfenden Opfer und hebt seine Waffen, die wie rotierende Sicheln aussehen. Von Enzymen durchsetzter Schleim spritzt von den Klingen ins jubelnde Publikum. Wetten werden mit schimmernden Augenbildern oder Bündeln aus fleckigen violetten Banknoten bezahlt. Unter den protzigen Hautdekorationen kann man erkennen, welche zerstückelten Ditos für zwanzig Wohlfahrtsdollar bei einem öffentlichen Kiln gekauft wurden.
Der triumphierende Sieger dreht sich, und dadurch kommt es zwischen uns zu einem Blickkontakt. Sein Lächeln erstarrt kurz – erkennt er mich? Ich kann mich nicht daran erinnern, dieses besondere Pseudogesicht schon einmal gesehen zu haben. Die Verbindung zwischen uns existiert nur für den Bruchteil einer Sekunde, und dann wendet sich der Mann wieder seinen Bewunderern zu.
Früher wäre er durch einen solchen Sieg vielleicht zum Häuptling irgendeines alten Stammes geworden. Nun, jetzt steht er wenigstens für kurze Zeit im Mittelpunkt. Gegen einen echten Profi wie meine Clara hätte der Bursche natürlich nicht den Hauch einer Chance. Aber sie hat derzeit Besseres zu tun und verteidigt zweihundert Kilometer entfernt an der Front ihr Land.
Der RESERVIERT-Hinweis verschwindet, als ich mich an den Tisch setze und daran denke, wie es Clara ergehen mag. Ein Teil von mir bedauert, dass ich sie nie wiedersehen werde. Aber natürlich sehe ich sie wieder, sobald die eine oder andere Armee den Sieg erringt… oder wenn der Kampf für den traditionellen Waffenstillstand am Wochenende unterbrochen wird. Real- Albert sollte
Weitere Kostenlose Bücher