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gerichtet. Ich bin vorgesprungen und hoffte darauf, dass meine frischen Reflexe schneller sind als sein ein Tag alter Körper.
Offenbar hat es nicht geklappt.
WIE LANGE BIN ICH ohne Bewusstsein gewesen? Ich schicke eine Zeitanfrage zu meinem Pellet, und das Ergebnis ist scharfer Schmerz – jemand muss es mir aus der Stirn gerissen haben. Ich hebe die Hand, und meine Finger ertasten ein Loch.
In Ländern mit strengen Gesetzen tötet die Entfernung des Pellets den Dito. In der PÖZ nimmt man es mit den alten Vorsichtsmaßnahmen nicht so genau – dort ist das Pellet nur ein billiger Transponder und Datenchip. Ich kann ohne das Ding leben. Doch meinem Archi wird es schwer fallen, sein verlorenes Eigentum zurückzubekommen. Das ist der Grund, warum die bösen Buben die Pellets entfernen.
Haben sie auch an den Rest meiner Implantate gedacht? Ich weiß nicht, ob mein automatischer Rekorder noch immer läuft. Vielleicht sind diese subvokalen Schilderungen vergeblich; möglicherweise verschwinden die Worte in der Entropie, wie meine Gedanken. Aber ich muss einfach kontinuierlich Bericht erstatten. Das ist eingebaut, und ich muss damit fortfahren, bis sich dieses armselige tönerne Gehirn auflöst.
EINEN AUGENBLICK. Die meisten Konservierungstanks haben ein kleines Fenster, damit der Eigentümer hineinblicken kann. Derzeit sehe ich nur Metall, aber irgendwo hinter mir gibt es eine Lichtquelle.
Hinter mir. Ich presse beide Hände an die Innenwand des Tanks, drehe mich langsam… und dort ist es. Hinter einer dicken Glasscheibe sehe ich einen Raum, der dem Laboratorium eines wahnsinnigen Wissenschaftlers ähnelt.
Dies ist nicht der einzige Konservierungszylinder. Dutzende lehnen planlos an rauen Steinwänden. Weiter hinten bemerke ich Kühleinheiten für Rohlinge, mehrere Präger und einen großen Kiln für das Backen frischer Duplikate. Alle Geräte weisen das gleiche Logo auf: ein U gefolgt von einem K, jeder Buchstabe von einem Kreis umgeben. Seite an Seite verschmelzen sie zu einem Symbol für Unendlichkeit. Auf der ganzen Welt stehen sie für Qualität. Die echte Sache. Koscher. Der wahre Jakob.
Bin ich vielleicht im glänzenden Hauptquartier von Universal Kilns? Die steinernen Wände sprechen eigentlich dagegen. Supraleitende Kabel mit großer Bandbreite liegen auf Werkbänken. Staubschichten weisen darauf hin, dass hier keine orangefarbenen Golems eines Reinigungsdienstes sauber machen. Wo auch immer »hier« ist.
Vielleicht hat der loyale Dr. Maharal vor seinem Ableben Material und möglicherweise noch viel mehr stibitzt.
Abgesehen von der üblichen Dito-Ausrüstung gibt es noch einige unvertraut wirkende Maschinen, die den Eindruck von Prototypen erwecken. Eine Anordnung aus Hochdrucktanks und Düsen hat bis vor wenigen Sekunden gezischt und ist von einem bunten Nebel umgeben gewesen – jetzt herrscht Stille.
Eine horizontale Klappe öffnet sich, und Dampf umgibt eine nackte Gestalt, die auf einer gepolsterten Plattform liegt. Sie hat das frische teigige Aussehen eines Ditos, der gerade aus dem Kiln kommt. Die Gesichtszüge sind die von Yosil Maharal und ähneln denen der Leiche, die ich in der Kaolin-Villa gesehen habe. Allerdings hat diese Gestalt keine Haare und zeichnet sich durch ein metallisches Grau mit glimmenden roten Untertönen aus.
Plötzlich zuckt und schnauft sie, beginnt zu atmen – Luft für die Katalysezellen. Augen öffnen sich, dunkel, ohne Pupillen. Die Gestalt dreht den Kopf, als spüre sie meine Aufmerksamkeit.
Kälte liegt in dem Blick. Eis, mit Schmerz. Vorausgesetzt, man kann überhaupt etwas in den Augen eines Ditos erkennen.
Maharals Golem setzt sich auf und schwingt die Beine über den Rand der Plattform. Kurze Zeit später steht er und hinkt mir entgegen. Es ist die gleiche schleppende Gangart, die ich einer noch nicht lange zurückliegenden Verletzung zugeschrieben habe. Doch das war eine andere Kopie. Es muss eine andere Kopie gewesen sein. Dieser Dito ist neu. Also hat das Hinken eine andere Ursache. Vielleicht Angewohnheit.
Neu? Wie kann dieser Dito neu sein? Maharal ist tot! Es gibt kein Original mehr, das kopiert werden kann, keine Seele für das Prägen von Ton. Oder hat Maharal vor seinem Tod einige Ersatzditos geprägt und im Kühler verstaut? Doch die Maschine, aus der diese Kopie gekommen ist, sieht nicht wie ein gewöhnlicher Kühler oder Kiln aus.
Noch bevor er spricht, frage ich mich: Sehe ich hier ein technisches Wunderwerk? Einen Durchbruch?
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