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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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klar,
daß alle Gewissensqualen seines jungen Lebens nichts weiter waren als ein
belangloses Spiel: Sinnlos, überflüssig – denn er hat nichts im Verborgenen
gedacht, nichts unbeobachtet gesagt, nichts getan, was nicht in
intellektronischen Impulsen aufgezeichnet worden wäre. Doch nicht diese
Erkenntnis bringt ihn fast um den Verstand, vielmehr ist es die Ahnung von
etwas ganz anderem, unglaublich schlechterem: Was, wenn der Wächter nicht nur
Empfänger von zerebralen Funktionen ist, sondern auch Sender, Steuermodul,
intellektronisches Zaumzeug?!
    Er zuckt zusammen, als der Erste
Exarch   nach seinem Arm greift und mit
unerwarteter Kraft zudrückt.
    “Also gut, sprechen wir erst über
das, was dich quält”, sagt Korund und blickt ihn aus harten grünen Augen an.
“Du fragst dich, ob du überhaupt du selbst bist, oder das Produkt eines
administrativen Programms, ob du denkst, oder ob ein Programm, dank des
Wächters, dein Gehirn zum Denken zwingt… schiele nicht heimlich nach dem
Bildschirm! Ich habe ihn abgeschaltet… oder hast du noch weiter gedacht?”
    Der Exarch    durchbohrt ihn förmlich mit seinen Blicken.
    Auf einmal wird Hyazinth ruhig.
Alles ist wie in Opals Unterrichtsstunden. Was er die ganze Zeit nicht
erkannte, wird ihm nun klar: Es ist die letzte, womöglich entscheidende
Prüfung. Korund Stein redet bedächtig weiter: “Bei deiner Intelligenz wäre es
unvorstellbar, daß du nicht daran denkst, daß ein direkter Kontakt zwischen den
Wächtern möglich sein müßte, in Gestalt einer externen Steuerung des einen
Individuums durch ein anderes. In fünf bis zehn Jahren wird das vielleicht
Alltag sein. Wenn wir über genügend qualifizierte Leute verfügen, die mit einem
einzigen Verstand zwei oder mehr Persönlichkeiten zu beherrschen imstande sind.
Heute ist dies noch die Ausnahme, und solch komplexe und vielversprechende
Individualentwicklungen wie die deine durch Externmanipulation zu stören, wäre
auch in hundert Jahren noch der reine Wahnsinn. Bisher beschränken wir solche
Anwendungen auf einfache, weniger effiziente Hirnstrukturen, und auch nur zu
streng spezifiziertem Zweck. Wie etwa bei Jade Stein oder dem Mädchen, dessen
Körper für dich in der letzten Nacht die Wegstrecke zwischen Hölle und Himmel
durchmaß…
    Setz dich!! Beherrsche deine
Gefühle Hyazinth Blume! Es geht hier nicht um das Wenige, was du unter der
Rubrik Liebe an Irrtümern und Halluzinationen verbucht hast! Die einzige Frau
auf dieser Welt, die ein Recht auf deine Liebe hat, war in Jade, in Rutila und
mit ebensolcher Intensität in Marone Pilz. Ihr großer Intellekt ist imstande,
vier Persönlichkeiten zu füllen, und sie war alles für dich: Mutter, Geliebte,
Hure und Episode. Sie hat dich gelehrt, verführt, gelangweilt und glücklich
gemacht…”
    Hyazinth will aufschreien vor
Schmerz – der Exarch    spricht zweifellos
von Tante Sirrah! Sie hatte also eine intellektronische Kontrolle über alle
meine Mädchen, wie anders sind seine Worte zu verstehen! GW-SS, das heißt also
Gesundheitswache, Sirrah Stern... Aber warum das alles, warum?   Da fühlt er plötzlich den Blick des
Ersten   Exarchen, noch bevor er den Kopf
heben kann, um ihm die Frage ins Gesicht zu schreien.
    “Sie hat immer nur an dich
gedacht” sagt Korund Stein, und dabei schaut er Hyazinth mit solch einer
Feindseligkeit an, daß der vor Angst erschauert, alles vergißt unter dem
blitzenden Haß dieser Augen.
    “Alles hast du ihr zu verdanken:
Daß du wachsen durftest nach dem Gesetz deiner Bestimmung, statt in der
strengen Zucht der Notwendigkeit, daß dir die Geheime Prägung erspart blieb,
daß du nicht erfahren mußtest…”
    Korund Stein verstummt abrupt und
wendet sich ab, geht wieder zur gläsernen Panoramawand und schaut auf Weltenstein
hinab. Nach langen, endlos langen Sekunden eisigen Schweigens dreht er sich um
und lächelt. Diesmal aber ist das Lächeln nur in den feinen Falten um seinen
Augen, und es wirkt auf Hyazinth seltsam weich.
    Hyazinth ist wie betäubt. Zwar
nimmt er noch wahr, was um ihn herum geschieht, aber er vermag es nicht mehr zu
verarbeiten.
    “Hier aber ist die Grenze ihrer
Macht. Jetzt gehörst du mir. Heute beginnt für dich die Ordnung des
Patriarchats. Schluß nun mit der Obhut der Liebe! Du sollst einst zu den
Mächtigen unserer Welt gehören und endlich kosten von dem bitteren Kelch der
Macht. Du sollst sie gnadenlos auf der Zunge spüren im Bewußtsein deiner
Möglichkeiten: die eigenen

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