Copyworld: Roman (German Edition)
Heliotropete – ein seltsam gebogenes
Rohr aus einem grünem Mineral mit roten Hämatitflecken – wie eine Gymnastikkeule
schwingt. Dabei kreischen die Leute vor Vergnügen, worüber sich Hyazinth
jedesmal furchtbar ärgert, denn meist springen sie dabei auch begeistert auf,
und er kann dann nicht mehr sehen, wie der Heliotropeter das Instrument um
seinen Kopf kreisen läßt.
“Es ist alles unsere Schuld”,
sagt Korund und Hyazinth schaut ihn verständnislos an.
“Wenn man einen edlen Vollblüter
vor den Pflug spannt, bleibt die Furche flach, so sehr man auch die Peitsche
schwingt, und der Gaul geht irgendwann zugrunde. Was grinst du so blöd?”
Im letzten Augenblick besinnt
sich Hyazinth. Er hatte sich den Exarchen hinter einem urzeitlichen Hakenpflug vorgestellt, ein Bild, das ihn
nicht wenig erheiterte. Auch Meister Kong-Qiu benutzte in seinen Vergleichen
die damals übliche Landarbeit, aber wenn Korund vom Pflügen, von Pferden und
Ernten spricht, dann klingt es beinahe so als erkläre er die Schönheit einer
eckigen Kugel.
“Na gut, du begreifst es also
nicht”, fährt der Erste Exarch geduldig
fort. “Die Künste der Menschheit sind wie…” er schaut Hyazinth seltsam an,
”…wie ein Edelstein von unvorstellbarem Feuer, der aber so spröde ist, daß
jeder Schliff den Kristall zerstören könnte. Du weißt, es gibt solche Minerale.
Man muß sie wachsen lassen und so nehmen, wie sie geworden sind. Nur
Meisterhand vermag sie behutsam in eine andere Form zu zwingen. Der wahre
Meister aber erkennt, was im Stein verborgen ist, er deformiert ihn nicht,
sondern befreit ihn von Überflüssigem. Seltsame Formen entstehen, wenn ein
Zirkon von erfahrener Hand geschliffen wird, denn man kann nur glätten,
polieren, was anderes Gesetz als menschliches vollbracht hat. Er würde in
tausend Stücke zerspringen, wollte man ihn in die Gestalt des Briolett oder
Pendeloque zwingen…”
Korund Stein geht zu seinem
Sessel und kramt ein kleines Kästchen hervor, aus wunderschönem Achat. Er
öffnet es und entnimmt ihm einen Stein, der Hyazinth sogleich fasziniert. Er
ist ungewöhnlich groß für einen Hyazinth, fast fingerlang. Die
rhombendodekaedrische Formenkombination entspricht in keiner Weise irgendeinem
aktuellen Schliff.
“Die Flächen sind nur poliert,
nichts wurde weggenommen. Schau ihn dir genau an… Hast du jemals einen
schöneren Stein gesehen?” Er reicht ihn Hyazinth. Der betastet die scharfen
Kanten und Ecken scheu. Es ist wirklich ein sehr ungewöhnliches Stück, und
unwillkürlich drängt sich ihm der Gedanke auf, daß der Stein im Markisenschliff
oder als Olive ungleich prächtiger wirken würde. Doch je länger er die
spiegelnden Flächen betrachtet, desto blasser werden diese Vorstellungen
wieder. Die klare, natürliche Form erscheint in ihrer Reinheit wie ein Gefäß,
in dem ein Tropfen tiefster kosmischer Wahrheit funkelt.
“Er gehört dir”, sagt Korund
leise. Hyazinth umklammert ungläubig den Edelstein, und sein Herz hüpft in
wilden Sprüngen auf und nieder vor freudiger Erregung. Die übermäßige Freude
verzieht seinen Mund zu jenem einfältigen Grinsen, vor dem Opal ihn so dringend
gewarnt hat. Er ist sich dessen bewußt, doch das Grinsen ist stärker. Erst als
er zu Korund Stein aufblickt, durchfährt ihn ein entsetzlicher Schreck.
Auch der Erste Exarch lächelt. Seine Oberlippe wölbt sich erst vor
und schnellt dann nach oben, wobei sie das Gebiß entblößt, dann rutscht der
Unterkiefer zurück, und die volle Unterlippe verschwindet hinter den großen
oberen Schneidezähnen…
Mit einem Schlag begreift
Hyazinth, weshalb Opal ihn immer wieder beschwor – bei allen Weisheiten des
Meisters – nur nicht zu lächeln. Und erst in diesem Augenblick wird ihm
deutlich, wie grauenvoll blöd er aussehen muß, mit diesem schrecklichen
Grinsen, aber er kann nur noch wie gebannt auf den Mund des Exarchen starren, und der Gesichtsausdruck eines
Kretins ist in seiner Physiognomie förmlich versteinert.
Das Lächeln verschwindet
allmählich wieder aus Korunds Zügen, weicht einem Blick, in dem Ärger und etwas
wie Scham stehen. Dann fährt sich der Exarch mit der Hand über die Augen und dreht Hyazinth abrupt den Rücken zu.
Dem wird abwechselnd heiß und
kalt, und er wartet furchtsam auf einen Wutausbruch, denn als Korund Stein noch
Oberster Kindschafter war, folgte auf diese Gebärde für gewöhnlich ein
Donnerwetter, unter dem ganz Villafleur erbebte. Doch
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