Copyworld: Roman (German Edition)
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und manches Mal wäre ich vielleicht nicht der Verlierer gewesen, hätte ich
nicht so unerschütterlich an meine Niederlage geglaubt. Das ist das Prinzip
meines Lebens, lieber Hyazinth. Nie habe ich einen Sieg für möglich gehalten
und trotzdem unverdrossen gekämpft, die Schläge wie Steine hingenommen, über
die der Weg zur Bestimmung führt. Meine Stunde schlug, als nicht mehr mit
Fäusten, sondern mit Worten gefochten wurde. Da standen sie plötzlich, die
Schönen und die Starken, die sich ihrer Klugheit gewissen und die Schwärmer und
Träumer, die zwar halbwüchsige Mädchen begeistern, aber keine Ideen produzieren
konnten. Und plötzlich stand ich da mit der Macht meiner Kenntnis und
Erkenntnis.
Es gab Tausende, womöglich
Millionen, die mehr wußten und konnten als ich, aber ich kannte etwas, was sie
nie erlernt hatten: Ich hatte sie und ihr Wesen begriffen.
Politik ist kein Schachspiel,
lieber Hyazinth – das behaupten nur die schlechten Politiker. Politik ist ein
Puppenspiel. Du mußt dir gute Puppen beschaffen, und alle Welt wird deine
Meisterschaft rühmen. Du mußt imstande sein, denken zu lassen, wo das Problem
deine Kompetenz übersteigt – aber du darfst nie andere entscheiden lassen! Du
hast das Denken erlernt, das schadet in keiner Weise…” Der Exarch blinzelt ihm vertraulich zu, und Hyazinth
gerät dadurch erneut in einen Strudel widerstreitender Gefühle und Gedanken.
“… aber glaube nur nicht, daß es
dich stark macht. Jeder kleine Idiot, und sei es nur ein Kurier, ist fähig,
dich zu vernichten, wenn ich das zulasse. Was du lernen mußt ist: Deine Kraft –
oder Macht? – zu gebrauchen. Du meinst, Macht sei die Sehnsucht der Versager?
Der Versager ist zwar fähig, Macht zu erringen, aber sie legt sich wie ein
Strick um seinen Hals, wenn er sie nicht sinnvoll gebraucht. Sie würgt ihn
irgendwann zu Tode, nutzt er sie leichtfertig zu seinem Vorteil. Der Weg zur
Macht führt über Entbehrung und Unzufriedenheit, aber dieser Weg ist wie ein
moralischer Filter: Wen Selbstsucht, gleich welcher Art, in die Höhe treibt,
der bleibt bereits in den groben Maschen hängen. Wenngleich ich eingestehen
muß, daß auch in der Ebene der untersten Maschen großer Schaden angerichtet
werden kann, und daß es immer wieder geschieht, daß Abkömmlinge von Kerfen und
Würmern alle Netze passieren und sich in meiner Nachbarschaft Höhlen und Gänge
graben. Aber du, Hyazinth Blume, du wirst sein wie ein sechsjähriger Knabe.
Gestatte, daß ich in den Worten des uns beiden bekannten Denkers Laudse
spreche: Nichts weißt du vom Sinn der Geschlechterpaarung, und doch steift sich
dein Glied…”
Hyazinth hört es zwar, und
irgendwie fühlte er sich von einer großen Schuld befreit, als der Exarch unverhohlen den Gedanken des fremden
Meisters ausspricht – aber er vermag es kaum zu werten. Alles was Korund Stein
sprach, klang unheimlich und furchteinflößend. Stärker als die Furcht vor
diesen Enthüllungen aber ist die geheimnisvolle Verlockung, die aus dieser Rede
tönt: Du, Hyazinth Blume, bist geboren für die Macht. Du mußt sie nicht
erringen, dir wird sie als Lehen gegeben, so du nur willst. Du bist rein, ohne
jede Heuchelei. Nimm deine Bestimmung an, ohne zu fragen…
“… in dir ist, du hast es nur
noch nicht begriffen, die Fähigkeit, bar jeder Selbstsucht, dienend zu
entscheiden. Du verfügst über die Kraft, das Elend eines ganzen Planeten auf
dich zu nehmen, und das gibt dir das Recht zur Herrschaft. Aber bis dahin
dauert es noch ein Weilchen.” Der Erste Exarch grinst genau jenes Grinsen, daß Hyazinth auf so fatale Weise an sein
eigenes Spiegelbild erinnert.
“Hundert Jahre, zweihundert –
womöglich auch tausend…” Korund Stein fährt plötzlich auf, wie aus einem bösen
Traum erwachend und fordert herrisch: “Vergiß meine letzten Worte, sie waren
Fieberphantasien eines alten Mannes…”
Wie versteinert steht der junge
Zögling, wagt keine Regung des Körpers oder des Geistes. Aber seine Sinne
tasten erregt nach dem Unfaßbaren, das da greifbar vor ihm steht. Ein
unbekannter, doch in seiner Fremdheit faszinierender Geschmack kitzelt seinen
Gaumen, mit bebenden Nüstern saugt er jenen seltsamen Geruch ein, der ihn
plötzlich umgibt. Sein Blick schaut lauter aufregende Geheimnisse, und in
seinen Ohren klingt es süß: Du sollst herrschen, du sollst richten und
entscheiden, weil es deine Bestimmung ist. Er steht da, als habe er sich in
einen unsichtbaren Kokon
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