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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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“Deine Zweifel
erfüllen mich mit Sorge, Hyazinth. Sie sind wie die Erreger einer bösartigen
Seuche, die allen den Verstand schwächt. Es wäre schade um dich, denn du bist
einer derjenigen, die durch Abkunft und Begabung zu Höchstem berufen sind.”
    Sehr wohl hatte Hyazinth die
Lockung vernommen, aber seine Vernunft tat sie als leere Phrase ab, und so
entgegnete er bitter: “Zu Hohem vielleicht, Masterteacher, aber wie denn zu
Höchstem, da ich ein Sohn der Blume und nicht des allem widerstehenden Steins
bin.” Das löste bei Opal Empörung aus. “Wie kann so etwas über deine Lippen
kommen! Mein bester Schüler verleugnet die edlen Grundsätze des Martyriums,
welche besagen, daß einzig Fähigkeit und Leistung über den Rang des Märtyrers
entscheiden!”
    “Und Alter!” setzte Hyazinth
behende hinzu. Opal war erst etwas irritiert, dann sagte er gereizt: “Und
selbstverständlich Alter, denn erst in hohen Jahren sind Wissen und Können zu
letzter Harmonie gereift – drittes Generalgebot! Aber diese Kaulquappe Hyazinth
Blume reißt sich die Kiemen auseinander um zu quaken und vergißt dabei, daß es
der erprobten Lungen eines ausgewachsenen Frosches bedarf, um Gehör zu finden!”
Opal war   sehr böse.
    “Gewaltig tönt so ein
Froschkonzert, wahrhaftig”, Hyazinth konnte und wollte sich nicht mehr bremsen,
und selten zuvor hat er so unverhohlen Hohn gewagt, “bedauerlich nur, daß unter
der Macht dieses Chors nicht das zarte Glucksen der Larven zu hören ist.”
    “Was denn würdest du dir
Großartiges davon versprechen?”
    “Die Frösche preisen die Luft,
die sie atmen – ihre Kinder aber labt das Wasser, und deshalb wohl lieben sie
die Gesänge der Fische! Weshalb zwingt man sie, die Oden der Alten zu lernen,
bevor zu singen sie imstande sind?”
    Opal schaute sehr streng und sehr
weise drein.
    “Ihr Kaulquappen könntet das
Atmen köstlicher Luft als Übel betrachten, wo ihr doch anderes gewöhnt seid.
Das Wesen aller Erziehung ist, das Unreife auf die Freiheit des Gereiften
vorzubereiten.”
    Hyazinth überlegte.
    “Gelten die Gesetze der
Entwicklung auch für die Erziehung?”
    “Selbstverständlich, denn
Erziehung ist die effektivste Form der Entwicklung überhaupt, da sie um die
Komponente der Bewußtheit reicher ist!”
    Da begehrte Hyazinth
leidenschaftlich auf: “Aber Zweifel und Widerspruch sind doch elementare
Faktoren jeder Entwicklung – weshalb werden mir meine Zweifel vorgeworfen?”
    “Ist denn nicht alles schon
gedacht worden, womit du dich abquälst? Haben denn nicht großartige Menschen
längst entschieden, wo du Entscheidung verlangst? War ich ein so schlechte
Lehrer, daß Mißtrauen wachsen mußte, wo ich mit Liebe und Verständnis Vertrauen
zu säen meinte?”
    Hyazinth entgegnet heftig auf die
väterlichen Worte seines Erziehers.
    “Du bist ein guter Lehrer, Opal
Stein, durch dich habe ich Dinge verstanden, die du gar nicht lehrtest – aber
wie soll denn Neues werden, wenn wir ewig in dem beharren müssen, was schon
gedacht und für gültig befunden wurde?”
    Opal erbleichte und flüsterte:
“Wenn du glaubst, deinem alten Freund und Lehrer dafür Dank zu schulden, dann
begleiche deine Schuld, indem du dieser Erkenntnis für immer den Weg auf deine vorlaute
Zunge verwehrst! Schärfe deinen Blick, Hyazinth, und deinen Verstand!”
    “Die klinge / immerfort geschärft
| bleibt nicht lange klinge”, antwortete Hyazinth nachdenklich, und Opal fuhr
auf: “Woher hast du das? Versuche nicht, mich zu belügen – es sind nicht deine
Worte, ich weiß es! Du hast Laudse gelesen!”
    Es endete damit, daß Hyazinth
letztlich demütig um Verzeihung bat und reuevoll Besserung gelobte, mit einer
gewissen Unaufrichtigkeit zwar, denn noch nie war es ihm gelungen, sein Denken
unter den Gehorsam des Willens zu zwingen – und er war sich dieses Mangels in
jenem Augenblick vollauf bewußt –, doch galt die Entschuldigung auch mehr den
verletzten Gefühlen des väterlichen Freundes als der großen Idee, an der er
sich, wie von dunklen Mächten getrieben, unentwegt versündigt hatte…

 
    “… doch nun endlich zur Frage,
warum du gerade Sigmatänzer werden sollst.” Korund Stein hatte ununterbrochen
geredet, und Hyazinth begreift mit Unbehagen, nicht ein einziges Wort
wahrgenommen zu haben. “Du hast doch verstanden, was ich meinte?” fragt der
Exarch    auf einmal, denn wahrscheinlich
hat Hyazinths Gesichtsausdruck gewisse Zweifel in ihm geweckt. Der Zögling

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