Copyworld: Roman (German Edition)
trojanische Pferd, mit dessen Hilfe das Gute in die kranken
Gehirne der gepeinigten Bürger unserer DTEA gelangen wird. Die Leute brauchen
einen Gott nach langen Jahrhunderten der Ketzerei, einen Gott, der ihre Blicke
an den Himmel fesselt, damit sie nicht auf das Elend dieser Erde schauen – und
dieser Gott sollst du sein, Hyazinth Blume!”
Ein begeisternder Gedanke kommt
Hyazinth: Wenn man nach Harmonie strebt, ist dieses große Ziel nur erreichbar,
unterwirft man sein Handeln den Zeremonien und Ritualen – so steht es bei
Meister Kong Qiu, und ist der Tanz nicht die edelste Form von Ritus und
Zeremoniell? Sicher hat der Exarch gerade aus diesem Grund den Sigmatanz ausgewählt und mich zum höchsten
Zeremonienmeister bestimmt. Ihm fallen noch andere Regeln ein, die Kong-Qiu einst
formulierte. Und wo es um Bescheidenheit und Zurückhaltung geht, hört er
plötzlich strenge Mahnung in Worten, die er früher sorglos und ohne rechte
Begeisterung auswendig lernte.
Aber der Meister sagte auch: Wenn
man gebraucht wird, erfüllt man seine Pflicht! Und solange Hyazinth gebraucht wird, verlangt kein anderer Gedanke des
Meisters erzwungene Zurückhaltung.
Wie ein im hellen Tag gleißender
Wasserfall werde ich mich in den Strom des Lebens stürzen, ihn umwälzen,
Strudel bis in seinen Grund bohren und glitzernde Fontänen aufstieben lassen,
oh ja, das ist eines Märtyrers würdig! denkt er begeistert.
herrscher über alle wässer sind
strom und meer
nur daß sie sich tiefer stellen
tiefer denn alle wässer stellen
erhebt sie fürstlich über alle
wässer
Ganz flüchtig nur blitzt in
seiner Erinnerung diese Sentenz des Laudse auf. Ach was, es gilt doch nicht,
die vielen Rinnsale menschlicher Begierden und Absichten in sich zu strömenden Gleichmaß zu
sublimieren – durcheinanderwirbeln muß man das sanfte Fließen von Strom und
Gegenstrom, soll es eine homogene Bewegung werden dort, wo dann die Fluten sich
unter der Kraft ihrer eigenen Masse glätten!
Ein genialer Gedanke des Großen
Ehrenmärtyrers, diesem alles aufwühlenden Sturzbach in Gestalt einer die
Menschen überwältigenden Tanzeuphorie die Wehre zu öffnen, denkt Hyazinth
weiter, denn zwangsläufig muß die Flut einen Sedimentationsprozeß bewirken,
wenn sie irgendwo an Kraft verliert, und dort werden sich in sauber getrennten
Schichten Ideen und Talente ablagern, wie im Achat oder Jaspis die Minerale…
“Deva – Bewahrer, Seher,
Schöpfer! Ich will mein Bestes geben!”
Er hält mit schweißnassen Fingern
den großen Zirkon umklammert, das Geschenk des Ersten Exarchen , und schaut träumend in die Nacht hinaus. Viele Stunden ist es jetzt
her, daß sein Schicksal eine überraschende, heftige Wende erfuhr. Unwillig
wehrt er Federchen ab, die Fadenschaumspinne quiekt beleidigt und krallt sich
in seiner Schulter fest. Mit einem Seufzen streichelt Hyazinth den samtigen
Hinterleib, der prall gefüllt ist von heilkräftigem Fadenschaum. Bald würde er
Federchens Fürsorge nicht mehr brauchen. Tante Sirrah hatte sich über eine
Kontaktspindel bei ihm gemeldet und ihm mitgeteilt, daß er mit einem
Zöloplanenzym geheilt werden könne. Aber Hyazinth waren die Wachsschuppen in
jenem Moment völlig gleichgültig, er starrte nur fassungslos in Sirrahs
gequältes Lächeln und hielt sich den mit siedender Hitze ausgefüllten Schädel.
Sirrah wußte von seinem Gespräch mit Korund Stein, zumindest kannte sie die sie
betreffenden Details. Einmal würde er alles erfahren und verstehen, sagte sie
und bat ihn, ihr nicht zu zürnen, sie habe immer nur aus Liebe gehandelt, und
er solle auch die Mädchen nicht verachten, deren Persönlichkeit sie
kontrolliert hatte, um über ihn wachen zu können – sie hätten nichts davon
gewußt und würden davon nie Kenntnis erlangen. Alles sei nur zu seinem Wohle
geschehen…
Hyazinth schaut auf die Schatten Weltensteins hinab.
Nur in der Ferne glimmt das einsame Licht im Arbeitszimmer des Ersten Exarchen : Korund Stein wird auch in dieser Nacht keine Sekunde seiner
unbegreiflichen Kraft mit Müßiggang oder gar Schlaf verschwenden. Jetzt
versteht Hyazinth auch die strenge Sorge
um die Gesundheit dieses großen Mannes, die soweit gehen muß, daß man einen
Risikofaktor wie jenen durchgedrehten Wachmann sofort zwangsdigitalisiert.
Extomie – Hyazinth hatte zum Ende der Audienz nach jenem
rätselhaften Vorgang gefragt. Es bedeutet die unverzügliche physische
Eliminierung einer
Weitere Kostenlose Bücher