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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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unendlich, denn Copyworld   wird in die Phase der Selbstorganisation
übergeleitet, wird vollautomatisiert wachsen wie ein Pilzgeflecht, irgendwann
den ganzen Planeten durchziehen. Es wird wieder Raumfahrt geben, aber mit den
milliardenfach höheren logistischen und technischen Leistungen, zu denen ein
solcher Denkkoloß fähig ist – der Mond wird ein Körperteil von Copyworld   sein, die Venus, der Mars… ich wage nicht
weiter zu denken. Das individuelle Bewußtsein wird in Copyworld   kosmische Dimensionen annehmen, und das
kollektive Bewußtsein irgendwann unvergleichlich mächtiger sein als das
Universum selbst… zuvor aber müssen die Digs lernen, in ihren
Schopenhauerwelten zu leben. Das ganze ist ein pädagogischer Prozeß: In vielen
Welterlebnissen müssen sie die Fähigkeit und vor allem das Bedürfnis
entwickeln, sich schließlich zur Übervernunft zu vereinen…”
    Hyazinth hatte die letzten Sätze
atemlos in sich aufgesogen und dachte nun: Wie erbärmlich dumm bin ich doch,
daß ich es nicht ohne Hilfe begriffen habe!   D a s   ist die neue Qualität in
der Selbsterkenntnis der Materie. Der Geist wird von den Fesseln seiner
biologischen Herkunft befreit und in einfachste, unzerstörbare
Digitalstrukturen verwandelt, das Tempo seiner Entwicklung dadurch geradezu
irrsinnig gesteigert! In einer einzigen Sekunde wird die Evolution Ewigkeiten
durchmessen, gegen die das Weltalter nur eine lächerliche Episode ist.
    Dunkel ahnte er, vom Wesen des
Menschseins eine geradezu klägliche Meinung gehabt zu haben. Nicht der
Wasserfall ist das Symbol für das Große, das Übergeordnete - auch er ist nur
ein Steinchen des Mosaiks.
    Seine Tropfen sterben nicht, sie
hören lediglich auf, die kleinsten Teilchen des Wasserfalls zu sein, denn aus
der schäumenden Gischt strömen sie als gewaltige Kraft dem Ozean zu, in dem
sich abertausende Flüsse mit dem Ursprung allen Wassers treffen…
    Welch ein Ziel, dem Strom
menschlicher Vernunft den Weg über alle Ufer hinaus ins kosmische Weltmeer zu
bahnen!
    Widerstand gegen dieses Vorhaben
ist nicht schlechthin dumm, sondern verbrecherisch. Dessen war Hyazinth sich
nun endgültig sicher. Spontan streckte er Beryll die Hand entgegen und sagte:
“Oberster Projektant, du hast mir all meine dummen Fragen verziehen – nun
verzeih mir auch meine Befangenheit, die mir beinahe den Verstand genommen
hätte.”
    Beryll griff kraftlos zu, eine
schlaffe Hand, deren Knochen Hyazinth wie dünnes Glas schienen.
    “Ich verstehe nicht ganz…”, sagte
der Oberste Projektant erstaunt.
    “Jade.” Für Hyazinth war der
Gedanke an seine ehemalige Gespielin wie eine Nebelbank, die man besser
umschifft, will man nicht an den Klippen zerschellen – deshalb wechselte er
schnell das Thema, und sogleich verschwand der Argwohn aus Berylls Miene.
    “Opal Stein hat mir anläßlich der
Siebten Weihe von Copyworld   erzählt.
Schon damals war ich begeistert, und stolz war ich auch, als einziger
Märtyrerschüler vor der Zeit in das große Geheimnis eingeweiht worden zu
sein…”, begann Hyazinth. “Es sei eine große Auszeichnung, hat er immer wieder
betont. Deshalb wagte ich kaum Fragen, denn er wurde gleich böse, als ich mehr
zu erfahren wünschte: Ich solle dankbar sein für das, was er mir anvertraut
hatte, und endlich einmal – und wenn nur für wenige Minuten – meinen vorlauten
Schnabel halten. So mußte ich glauben, es ginge ausschließlich darum, der von
schrecklichen Mißbildungen und Krankheiten gepeinigten Menschheit zu einer
Existenz in Glück und Gesundheit zu verhelfen. Offiziell wird in der
Märtyrerschule nur gelehrt, der Märtyrer habe sein Leben für die
Unsterblichkeit der Leidgeprüften, Verkrüppelten, Dahinsiechenden und zu
lebenslänglichem Sterben Verurteilten zu opfern. Kein Wort über Details und
strenges Frageverbot. Wir haben das alles nicht so recht ernst genommen… Und
dann erzählte Opal mir von Copyworld , und wieder durfte ich nicht fragen!
Wirst du mir konkrete Antworten geben, wenn ich Einzelheiten zu erfahren
wünsche?”
    “Das ist der Auftrag, den unser
hochgeschätzter Undsoweiter” – er blinzelte ein wenig spöttisch – “mir
erteilte: Du sollst alles erfahren, was du zu wissen begehrst. Also stelle mir
deine Fragen.” Hyazinth ging auf die leise Provokation nicht ein, was scherte
ihn denn gebührender Respekt einem einzigen – und sei es auch der größte der
Welt – Mann gegenüber, wo es um Fragen ging, die dutzende von

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