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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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er.
    “Nein, eben nicht durch ein
außerweltliches Wesen, sondern durch jedes Subjekt selbst! Schöpfung im Sinne
einer veritas aeterna. Dasjenige, was alles erkennt, aber von keinem erkannt
wird, ist das Subjekt. Nur für das Subjekt ist, was immer da ist. Objekt
– Vorstellung! – ist alles, was Gegenstand der Erkenntnis des Subjektes
ist, zum Beispiel auch der eigene Körper. Objekte liegen in Raum und Zeit. Das
Subjekt hingegen liegt außerhalb von Raum und Zeit, daher sind Subjekt und
Objekt zwei unzertrennliche Hälften, eines kann ohne das andere nicht
existieren. Die Welt der Objekte aber ist und bleibt Vorstellung, sie hat
transzendentale Idealität, weil die ganze Wirklichkeit nur durch den Verstand
und im Verstand ist. Verstehst du? Die Kausalität ist das Wesen der Materie,
der Wirklichkeit – wie etwa die Sukzession das Wesen der Zeit ist – aber auch
alle Kausalität ist ausschließlich im Verstand und für den Verstand. Kant sagte
dazu: Der Zusammenhang der Vorstellungen unter sich nach dem Gesetz der
Kausalität unterscheidet das Leben vom Traum. Erinnere dich!
    Schopenhauer nun hat daraus ein
fehlerfreies Gedankengebäude errichtet. Nur galt es jahrhundertelang als
faszinierender Irrtum, der eine zwar theoretisch denkbare, jedoch allen
Erkenntnissen moderner Wissenschaft widersprechende Welt beschrieb. Dies gilt
auch ohne jede Einschränkung weiterhin für diese eine Wirklichkeit, in der wir
alle gemeinsam existieren. Aber das Projekt Copyworld   gibt uns nun die Möglichkeit, daß jedes
Subjekt sich seine Welt aus Wille und Vorstellung erschaffen kann, wobei wir
Schopenhauer um eine Winzigkeit weiterentwickelt haben: Bei ihm ist das Ich des
Menschen Indifferenzpunkt zwischen Willen und Intellekt, Reflektor und
Generator einer endgültig fixierten Wirklichkeit mit Anfang und Ende.
    Wir hingegen haben den Tod
abgeschafft und dem Ich die Macht gegeben, seine Wirklichkeit nach Belieben zu
verändern…”
    Längst hatte Hyazinth seinen
Stolz vergessen und stellte unbefangen Fragen.
    “Das verstehe ich noch nicht
ganz. Zwar leuchtet mir ein, daß eine digitalisierte Persönlichkeit, also die
in intellektronische Struktur überführte, materiell-biologische Komponente des
Dualismus Körper-Verstand, als gewissermaßen kompliziert moduliertes Bündel
elektromagnetischer Wellen unsterblich sein kann… Aber dann muß man davon
ausgehen, daß Persönlichkeit ein Kontinuum ist. Darf man das ohne weiteres? Was
ist denn überhaupt Bewußtsein? Wird das Bewußtsein durch Tiefschlaf, Ohnmacht
oder reversiblen klinischen Tod vernichtet und entsteht danach völlig neu, auf
der Grundlage der unveränderten materiellen Hirnstruktur? Ist das ganze ein
Quantenprozeß oder ein Kontinuum? Gehen wir hier nicht sehr deutlich über
Schopenhauer hinaus? Die drei monumentalen Säulen, auf denen alle
Konstruktionen der Weltkultur ruhen, sind Zeugung, Geburt und Tod. Natürlich
wäre es philisterhaft, allein deswegen gegen die Unsterblichkeit zu
polemisieren – aber welche immensen Konflikte muß eine Kultur erwarten, die vom
memento mori zum memento vivi übergeht?
    “Zweifellos hat der Tod des
Individuums bei Schopenhauer einen anderen Stellenwert. Was der Schlaf für das
Individuum, ist der Tod für die Gattung. Die Gattung ist die Idee, in ihr
manifestiert sich der Lebenswille, Leben und Sterben der Individuen sind wie
eine Oszillation, wie Existenzschwingungen der Art oder Gattung. Deshalb sieht
Schopenhauer den Kreis als das einzige wahre Symbol der Natur – das Schema
ewiger Wiederkehr: Die Aufeinanderfolge der Individuen und Generationen gleicht
dem Sturz unzähliger Tropfen eines Wasserfalls. Das Wesen der Erscheinung liegt
nicht im einzelnen Tropfen, sondern in der Gesamtheit. Wir sind jedoch
imstande, dieses eherne Naturgesetz zu annullieren! Deine Frage nach dem
Charakter des menschlichen individuellen Bewußtseins ist klug gestellt. Ein
Kontinuum, vielleicht gar ein evolvierendes Kontinuum? Was denkst du?”
    Hyazinth zögerte mit der Antwort,
obgleich er sich schon unzählige Male mit dieser Frage herumgeplagt hatte und
meinte, zu einem endgültigen Ergebnis gekommen zu sein.
    “Der Schlüssels zum Problem ist
für mich die Frage nach der menschlichen Gedächtniskapazität”, begann er
bedächtig. “Ewiges Leben kann kein Kontinuum sein, da das Gedächtnis endlich
ist, sein muß. Das Bewußtsein würde ein unendliches Leben wie ein
Scheinwerferkegel überstreichen, die einzelnen Existenzphasen

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