Copyworld: Roman (German Edition)
Wortes?
“Dieser uralte Evolutionskonflikt
wird mit Copyworld überwunden.” Beryll
hatte die Augen geschlossen und war wie zu Stein erstarrt. Nur sein Mund
bewegte sich und zeigte an, daß in der reglosen Hülle eine fast zügellose Kraft
wirkte.
“Der Mensch ist seinem Leib
entstiegen und hat sich damit die Chance eröffnet, auch all den Zwängen zu
entrinnen, denen ihn seine leibliche Existenz unterwarf. Selbstverständlich
wird er die Last nicht von den Schultern werfen und den Hang hinunterrollen
lassen können, denn sie ist nicht wie der Stein des Sysiphus – sie ist eher wie
eine bösartige Seuche, die mit ihrer unsichtbaren Schwere lähmt oder gar tötet.
Der Genesungsprozeß wird ein äußerst langwieriger Vorgang sein, vielen wird es
so ergehen, wie dem Blindgeborenen, der nichts von hell und dunkel, von Farben
oder Licht weiß und meint, darauf durchaus verzichten zu können –”
“Das Beispiel ist schlecht”,
unterbrach Hyazinth impulsiv, “denn der Blinde weiß und spürt täglich, daß da
etwas sein muß, was den anderen eine unvorstellbare Überlegenheit verleiht, er
weiß genau, daß seine engbegrenzte Welt nur ein winziges Bruchstück des Ganzen
sein kann – obgleich er sich das Ganze nicht vorzustellen vermag!”
“Hervorragend, Wunderknäblein!
Ganz hervorragend! Das ist die Hoffnung – nein, die Gewißheit! – mit der wir
angetreten sind, dieses Werk zu realisieren. Der Blinde wird nicht lange
zögern, wenn wir ihm die Möglichkeit bieten, die Welt nicht nur zu tasten, zu
riechen, zu hören und zu schmecken, sondern zu sehen! Er kann uns nur glauben,
daß Sehkraft etwas ganz anderes ist, daß sie unendlich glücklich machen kann,
aber dieser Glaube wird ihm sogleich bestätigt, wenn er sich außerhalb seines
gewohnten Territoriums orientieren muß und hört, wie die Sehenden an ihm vorbei
eilen, in Minuten Wegstrecken bewältigen, für die er Stunden oder Tage
benötigt. Ein gutes Bild, Hyazinth. Und eine konstruktive Kritik. Man nennt
dich nicht zu Unrecht ein Wunderkind…”
Hyazinth lächelte etwas
säuerlich, hatte er sich doch einen winzigen Triumph von dieser polemischen
Attacke erhofft – aber Berylls Lob wog schwerer, und die Distanz zwischen ihnen
schmolz ein weiteres Mal um ein gehöriges.
“Also erstens: Der Dig liegt
nicht in einer Perzeptorzelle. Punkt. Zweitens: Die Schopenhauerwelt
unterscheidet sich grundsätzlich von Geo- oder Selbstspielsimulationen.
Kommerzielle Simulationen sind programmierte Vorgaben. Du kannst dich in ihnen
zwar frei bewegen, aber weder ihre Grenzen überschreiten, noch sie durch dein
Realbewußtsein verändern. Deine Wirksamkeit innerhalb des Spielmoduls
beschränkt sich auf die Aktionsmöglichkeiten, die du als Teilnehmer an eben
dieser Scheinrealität hast. Ausgenommen davon sind – zum Beispiel beim Geo –
lediglich die vom Zufallsgenerator formulierten Spielaufgaben: Du darfst gemäß
der strategischen Vorgabe eine Erfindung machen, die dir aufgrund deiner
hierweltlichen Kenntnis bekannt ist. Es ist letztlich nichts anderes, als ein
Besuch des Steinparks, nur etwas feiner. Eine Schopenhauerwelt dagegen entsteht
ganz anders: Du selbst bist der Schöpfer dieser Realität, auch wenn du es nicht
willst. Copyworld und du – ihr werdet
eins. Deine geheimsten Wünsche und Sehnsüchte, aber auch die sorgsam
verborgenen Ängste und Widersprüche – all deine Bewußtseinsinhalte sind der
Stoff, aus dem die Welt gemacht ist. Selbstverständlich hast du die
Möglichkeit, mit deinem Willen zu gestalten: Du kannst erschaffen, wonach dich
gelüstet, darfst die Regeln und Gesetze deiner Copyworld -Wirklichkeit
formulieren und dir ein Schicksal nach Maß schneidern. Du kannst dich selbst
völlig neu schaffen oder nur geringfügig modifizieren – je nach Belieben. Du
kannst deine Erinnerungen an hierweltliche Ereignisse total löschen; du hast
die Möglichkeit der Zeitkontrolle, das heißt, das man in regelmäßigen, selbst
festgelegten Abständen die Erinnerung an Hierweltliches zurück erlangt und
Korrekturen an schopenhauerlichen Strukturen oder Abläufen vornehmen darf;
manch einer will die ständige, kontinuierliche Kontrolle durch sein
Hierweltbewußtsein – bitte, auch das ist möglich, wenn auch furchtbar
langweilig. Du kannst alles bestimmen, und was du nicht bestimmst, ergänzt
Copyworld durch Analyse deines
Bewußtseins, beziehungsweise Unterbewußtseins. Nun wirst du wohl ohne größere
Probleme begreifen, worin der
Weitere Kostenlose Bücher