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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Pflicht und Pflicht – aber auch Lust, Lust und nochmals Lust…
    Und jetzt die Metamorphose zum
wahren Hyazinth Blume. Was aber ist das für ein Geschöpf, dieser wirkliche
Hyazinth? Ein derber Griff zu seinem Oberarm riß ihn aus seinen Grübeleien.
    “Was ist, Wunderknäblein, willst
du hier Winterschlaf halten?”
    Hyazinth öffnete die Augen.
    “Ich denke, drei Minuten
Erholungspause nach dieser Tortur sollten einem jungen, in Saft und Kraft
stehenden Mann doch reichen, oder?” Berylls Stimme hatte wieder diesen kalten
Klang.
    “Drei Minuten?” fragte Hyazinth
fassungslos. Hatte er wirklich so lange auf dem Schlitten gelegen, nachdem
alles vorbei war? Die letzten Untersuchungen hatte er nicht mehr wahrgenommen.
    “Hopphop, Schönster aus der
Familie Blume, das große Ereignis steht dicht bevor!”
    Elastisch sprang Hyazinth aus den
Konturenpolstern und reckte sich demonstrativ, wobei er etwas von mangelnder
Gewöhnung und ausgefallenem Mittagsschlaf stotterte. Trotzdem gelang es ihm
nicht, die Frage nach seiner Identität mit einem Ruck aus seinem Denken zu
schütteln.
    Ich bin nicht   e i n e r – ich bin ein Beet, in dem viele
Samen liegen, was ich für eine Metamorphose hielt, war lediglich die Aussaat,
ging es ihm kurz durch den Sinn. Dann öffnete Beryll das Panzerschott.
    Verblüfft riß Hyazinth die Augen
auf, all seine Gedanken flatterten wie bunte Schmetterlinge davon, und eine
seltsam angenehme Leere war unter seiner Schädeldecke.
    Er hatte eine Schaltzentrale
erwartet, ein Steuerzentrum, eine Kontroll- und Befehlsbasis.
    “Das ist das Cephalon von
Copyworld . Die Kalotte über uns”, Beryll deutet lässig auf eine riesige, mit
unzähligen Leuchtflächen bedeckte Kuppel, “ist ungefähr der siebzehnte Teil
einer Kugel von acht Kilometern Durchmesser…”
    Hyazinth stöhnte beeindruckt auf.
Er stand nicht in einem Kommandoraum, sondern in einer bizarren unterirdischen
Stadt mit seltsamen Gebäuden, schnurgeraden Straßen, auf denen Magnetschlitten
scheinbar chaotisch durcheinander quirlten. Und überall Leute, die geschäftig
hin und her eilten. Die fremdartige Architektur wirkte irgendwie
niederdrückend, aber auch imposant. Diese Wirkung ging wohl besonders von jener
leuchtenden Kuppel aus, die sich wie ein steinernes Gewölbe über das Cephalon
stülpte.
    “Die Kugelschale ist eine
mehrlagige Sandwichkonstruktion”, erläuterte Beryll. “Etwa dreihundert Meter
stark und absolut unzerstörbar. Selbst wenn man in ihrem Innern eine Kernladung
zur Explosion brächte, würde sie nicht zerplatzen. Sie ist so etwas wie ein
Schutzhelm für das Gehirn von Copyworld .”
    Hyazinth schwieg beeindruckt.
Auch als Beryll all die eigenartigen Bauwerke und Konstruktionen erklärte,
blieb diese erfrischende Leere in seinem Kopf. Nur der Eindruck von etwas
ungeheuer Gewaltigem füllte nach und nach das Vakuum in seinem Denken.
    Dies sei die oberste Etage,
erklärte Beryll gerade, und von Horizont zu Horizont des Decks Alpha – wie man
diese Ebene nenne – seien es mehr als drei Kilometer.
    “Wir haben uns am Bauschema der
vor zweihundert Jahren konstruierten Fernraumkreuzer orientiert, die – du wirst
es in der Schule gehört haben – aus Planetoiden und kleinen Planetenmonden
gebaut wurden. Vielleicht wirst du jetzt auch verstehen – obgleich du nur ein
winziges Teilchen des ganzen Projektes siehst – warum wir vorläufig jegliche
Raumfahrt einstellen mußten: Wir dürfen unsere Kräfte nicht auf Kosten von
Copyworld   verschwenden, müssen alles auf
die Realisierung der großen Idee von der Umkehr konzentrieren.”
    Hyazinths Aufmerksamkeit nahm
weiter ab. Konkrete Details interessierten ihn im Augenblick wenig, viel
stärker fesselte ihn der gewaltige Gesamteindruck, der seine Emotionen
bedeutend stärker ansprach, als seinen Intellekt. Er mußte wieder an jene
Minuten denken, als er in einem Geospiel vom Westufer des Schwarzen Meeres zu
einer etwa drei Kilometer entfernten Insel schwamm, mit Brille, Schnorchel und
Flossen (es war etwa die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, die Insel sein
Zielpunkt, und sein ewiger Partner und Gegner Narziß irrte irgendwo in der
Sahara umher, halbverdurstet und -erstickt) ausgerüstet, und als er nach der
Hälfte der Strecke ausruhte, sich flach auf das Wasser legte und in die
gläserne Tiefe stierte, da packte ihn plötzlich solch eine tierische Angst
angesichts der bläulich leuchtenden Unendlichkeit unter ihm – das Meer war an
dieser Stelle ungefähr

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