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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Narr!” herrschte ihn
der Fremde an und wandte sich für eine Sekunde Hyazinth zu. Dem fuhr ein
weiterer Schreck in die Glieder: Der Mann hatte das Gesicht des Reiters,
goldfarbene Locken quollen unter dem Helmrand hervor, ebensolche, wie sie aus
der Kappe mit den drei Stacheln auf die Schultern des Anstürmenden flossen.
    “Schweig! Und denke daran, was
ich dir sagte!”
    Hyazinth wich zurück. Er hatte
Berylls Augen erkannt. Den eisblauen Blick, dessen unergründbare Tiefe ihm
ebensolche Furcht einflößte, wie die gläserne Endlosigkeit des Meeres, das er
bis zu jener Insel durchschwommen hatte…
    Noch bevor der Reiter aus dem
Sattel springen konnte, schwang Rorik die sichelförmige Scheibe, mit einem
gräßlichen Schrei. Das blitzende Ding schwirrte durch die Luft, durchschnitt
sie pfeifend und prallte gegen den runden Lederschild, den der Reiter
gedankenschnell hochgerissen hatte. Ein tiefer Schnitt klaffte im Leder, und
die Scheibe segelte weiter, fiel weit hinten in den aufstiebenden Schnee. Der
Reiter lachte höhnisch. Mit raschem Griff in den Nacken zog Rorik ein
merkwürdig geformtes Ding aus einem hölzernen Futteral, das er auf dem Rücken
trug. Es sah aus wie eine Kette handtellergroßer Sterne, ein jeder mit sieben
blitzenden Zacken. An beiden Enden dieser Kette erkannte Hyazinth eine kleine
Kugel, die bequem in eine Männerfaust paßte.
    Der Reiter stieß mit dem Stiel
seiner nicht weniger sonderbaren Waffe dem Tier sanft in die Weichen und sagte:
“Geh, Gadar! Dieser Teufel wäre imstande, mit der Zackenschlinge nach dir zu
schlagen, wenn er mich – wie immer – verfehlt!” Gadar trottete gehorsam ein
paar Schritte zurück, dann aber senkte er den Kopf, daß die drei schrecklichen
Hörner auf Rorik wiesen, und schnaufte drohend.
    “Geh aus dem Weg, Knecht eines
Brudermörders, damit du deinem Herrn nicht vor die Füße stolperst, wenn er den
letzten Gang seines Lebens geht!”
    Hyazinth wollte aufbegehren: Noch
nie hatte ihn jemand einen Knecht genannt! Welch eine infame Beleidigung! Doch
Rorik griff nach einem Ärmel seines Wamses und zerrte ihn zur Seite. “Du
bleibst da stehen und rührst dich nicht vom Fleck!” zischte er.
    Erst jetzt wurde Hyazinth bewußt,
daß er nicht mehr sein Vollkörpertrikot trug, sondern ein gräßlich buntes
Knappenkleid: Rot, blau und grün gestreifte Wollstrümpfe, die bis in seine
Leisten reichten und beim Gehen unangenehm scheuerten. Darüber ein Höschen mit
kurzen, dafür aber phantastisch weiten Hosenbeinen, die wie ein Reifrock
abstanden. Seinen gelben Kittel mit den purpurnen Querstreifen zierte ein
siebenzackiger schwarzer Stern, und auf dem Kopf spürte er plötzlich etwas, das
ungefähr die Form eines Kochtopfes haben mußte und seinen Schädel wie eine
Schraubzwinge zusammenpreßte. In den Händen aber hielt er auf einmal einen
derben Knüttel, an dessen Ende eine Schneide blitzte, die ganz so geformt war,
wie das Ding, das Rorik gegen den Fremden geschleudert hatte…
    “Oh!” sagte er verdattert, “oh,
was ist denn das für ein Hackebeil?” Er ließ es schnell fallen und zog sich
sicherheitshalber noch ein dutzend Schritte zurück, obgleich Beryll ihm
befohlen hatte, nicht von der Stelle zu weichen. Als er meinte, ganz dicht vor
der Tür zum Flachbau zu stehen, atmete er erleichtert auf und sah den
Ereignissen gefaßt entgegen.
    Der Reiter würdigte ihn keines
Blickes mehr, dafür war sein haßerfüllter Blick unverwandt auf Rorik – Beryll?
– gerichtet. Der hob mit einer lässigen Bewegung die Zackenschlinge und ließ
sie spielerisch durch die Luft wirbeln, handhabte sie das eine Mal wie eine
Peitsche und erschreckte Hyazinth mit einem scharfen, metallischen Knall, ein anderes
Mal nahm er beide Kugeln in eine Faust und ließ die Kette wie ein Rad um seinen
Eisenhandschuh rotieren.
    “Ich könnte dich mit einer
Bewegung meines kleinen Fingers auslöschen, Derek – erinnere dich an meine
Worte, wenn dein Leben das nächste Zeitmal erreicht hat, wenn du für Sekunden
wissen wirst, wer du wirklich bist, und die Macht hast, dein Schicksal völlig
zu ändern. Dann erinnere dich an deinen Sohn und daran, daß du voll und ganz in
seiner Hand bist…”
    Die Kälte in Roriks Stimme ließ
selbst den harten seemärkischen Winter erschauern. Die Eisglocken der Bäume
klirrten im Echo seiner Worte, und dem Wind schien einen Moment lang der Atem
zu stocken.
    “Ha! Deine dunklen Reden können
mich nicht schrecken, Brudermörder! Nimm den Streich der

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