Copyworld: Roman (German Edition)
unbesorgt miteinander reden, nur Copyworld hört mit.”
“Was?” schrie Hyazinth entsetzt
auf. “Bist du verrückt? Weißt du nicht, daß alles sowieso bei Copyworld landet, daß dies der eigentliche Sinn der
Gesundheitswache ist? Der Oberste Projektant weiß wahrscheinlich jetzt schon,
daß du…”
Er verschluckte sich und hustete.
Holunder aber blieb völlig gelassen.
“Erstens: Der eigentliche Sinn
der Wache ist nicht die Belieferung des Projektes mit Bewußtseinsinhalten –
dies ist eine zwar wichtige, aber eben nur sekundäre Nutzung. Die Wache wurde
installiert, als vom Projekt Copyworld noch nicht einmal die Idee existierte. Sie ist vor allem immer noch ein
Organ der Kontrolle und der Beeinflussung. Dazu wirst du noch mehr erfahren.
Zweitens: Der Oberste Projektant selbst hat mich aufgefordert, dich zu unserer
Versammlung einzuladen. Und drittens: Das Gegensystem – das ist Copyworld ,
oder besser gesagt, ein wesentlicher Teil von Copyworld . Auf diese Weise hat
das irrsinnige Projekt wenigstens einen praktischen Nutzeffekt und wird zur
Veränderung der Welt beitragen, statt Abermillionen Türen zu öffnen, die die
Flucht aus unserer Realität all denen ermöglicht, die zu schwach, zu feige oder
zu faul zum Kämpfen sind.”
Hyazinth versuchte angestrengt,
seine Gedanken zu ordnen: Beryll ein Verbündeter von Holunder? Was für eine
Versammlung, zu der er eingeladen war? Copyworld ein Gegensystem zur Gesundheitswache? Kampf
um Veränderungen? In was für einen unheimlichen Strudel wollte Holunder ihn da
hinabzerren? Er mußte sofort den Exarchen benachrichtigen!
Andererseits, wenn es stimmte,
daß Beryll dahinter steckte… Hyazinth schwankte zwischen Pflichtgefühl und
Neugier. Schließlich konnte es nicht schaden sich erst einmal alles anzusehen
und anzuhören, was auf dieser ominösen Versammlung geschehen würde. Wie immer
siegte die Neugier, und er beschwichtigte sein aufgeschrecktes Gewissen mit dem
Vorsatz, dann – wenn nötig – sofort den Ersten Exarchen zu informieren.
“Komm zu uns, und du wirst alles
begreifen”, sagte Holunder und nannte ihm Treffpunkt und Uhrzeit. Das grünliche
Fluoreszieren der Kontaktspirale verblaßte und verschwand. Hyazinth war wieder
allein.
Der Ort des geheimen Treffens war
das Große Mineralium – der reine Wahnsinn! Wie konnte man in einem der
berühmtesten Sporttheater eine konspirative Versammlung veranstalten!? Die
müssen entweder entsetzlich dumm oder mit gespenstisch anmutenden Möglichkeiten
ausgerüstet sein, dachte Hyazinth, zitternd vor Aufregung.
Für diesen Abend waren die
kontinentalen Meisterschaften im Jurado angekündigt. Dieser Kampfsport ist
beliebt in Weltenstein, vor allem bei den Zuschauern, die vor Vergnügen
kreischen, wenn die Kontrahenten sich meterweit durch die Luft wirbeln oder mit
irrsinnigen Drehungen des Körpers die Gliedmaßen in den Leib rammen, was trotz
der Schutzrüstung selten ohne Beulen und Schrammen abgeht. Ein wirklich
publikumsfreundlicher Sport, fand Hyazinth schon immer, viel aufregender als
der Steinmarathon, bei dem die Akteure eine sieben Kilogramm schwere Achatkugel
über die Distanz von mehr als vierzig Kilometern transportieren müssen.
Während also Dutzende von
Kämpfern unter den frenetischen Anfeuerungen der Zuschauer um Sieg oder
Niederlage rangen, wollten diese Illegalen – Neobesinnler etwa? – ihre
Versammlung abhalten. Unmöglich eigentlich, doch irgendeinen Trick mußten sie
doch haben; Hyazinth brannte vor Ungeduld.
Korund Stein würde es ihm danken,
wenn er half, dem geheimnisvollen “wir” auf die Schliche zu kommen… Das Problem
war nur, daß Choreut Desmin schon
zweimal gemahnt hatte, und der knorrige Alte machte überhaupt nicht den
Eindruck, Verspätungen seiner Schüler mit Gelassenheit hinzunehmen. Egal,
dachte Hyazinth, der Exarch wird mich
bei Desmin mehr als rechtfertigen.
Im Großen Mineralium herrschte
das übliche Durcheinander. Unter der hell erleuchteten Kuppel drängten sich
tausende von Menschen, schubsten und stießen einander. Hyazinth wurde von der
Menge mitgerissen wie vom schäumendem Wasser der Stromschnellen; er ruderte
hilflos mit den Armen und stemmte sich vergeblich der Leiberflut entgegen.
Verzweifelt versuchte er, irgendwo Holunder zu entdecken – ein aussichtsloses
Unterfangen angesichts der unüberschaubaren Menschenmenge.
Da hörte er auf einmal eine
Stimme: “Gruß allen Kämpfern der letzten Stunde! Bitte
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