Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
Vom Netzwerk:
in die Privatsphäre eines anderen zu schicken.
Außerdem hatte Hyazinth keine Zeit, denn Choreut   Desmin – sein zukünftiger Lehrer – hatte
schon zwei Mal gemahnt, er möge sich doch schleunigst bei ihm einfinden.
    Hyazinth schaute sich knurrend
um. Aha, da war der grünblinkende Stern, der die Position kennzeichnete, auf
der die Spirale erscheinen würde. Zuerst sah er einen durchschimmernden Nebel,
aus dessen zarten Schwaden sich eine immer schneller rotierende Spirale
bildete. Dann war da nur noch ein grünliches Fluoreszieren, in dem sich der
Körper eines Mannes abzuzeichnen begann. Als Hyazinth den auf und ab zuckenden
Adamsapfel erkannte, schimpfte er los: “Du mußt doch nicht beide Steine im
Beutel haben! Das nächste Mal komme doch bitte gegen Mitternacht und
materialisiere auf meinem nackten Arsch – das ist auch nicht unhöflicher, guter
Freund!”
    “Von Höflichkeit wollen wir
besser nicht sprechen und auch nicht von Freundschaft”, antwortete Holunder
kühl.
    Verdammt, er kommt wegen Rutila,
dachte Hyazinth peinlich berührt, und er stotterte hilflos: “Ich… ich kann
nichts dafür, sie selbst… was sollte ich denn tun…?” Dabei konstatierte er mit
einigem Schuldbewußtsein, seit der Audienz beim Exarchen nicht einen Gedanken
an jene wilde Nacht verschwendet zu haben.
    “Du hättest sie rauswerfen
können”, antwortete Holunder heftig, aber dabei machte er Hyazinth seltsame
Zeichen, deutete auf sein Ohr und tat, als bohre er mit einem unsichtbaren
Gegenstand im Gehörgang herum. Anfangs sah Hyazinth keinen Zusammenhang, und
Holunder schnitt Grimmassen der Verzweiflung, als Hyazinth nicht begriff.
    Holunder wiederholte seine Gesten
mit wachsender Ungeduld, wobei er – für Hyazinth weiterhin absolut
unverständlich – allerlei über Zuverlässigkeit, Kameradschaft, Egoismus und
Rücksichtslosigkeit redete, letztlich exakt das, was Hyazinth für den Fall
einer solchen Konfrontation vorausgesehen hatte.
    “Mein Gott, bist du blöd!”
stöhnte Holunder schließlich und sagte: “Nun stell das Ding doch endlich ab,
Mensch!”
    Jetzt begriff Hyazinth endlich,
und zugleich empfand er Empörung und abgrundtiefe Verachtung für Holunder. Was
bildete dieser Idiot sich eigentlich ein?
    Nach allem, was er erlebt hatte,
angefangen bei der Gesundheitswache und Tante Sirrah, bis hin zum letzten
Copyworld -Erlebnis, würde er den Wächter nie wieder antasten. Im Gegenteil,
hatte er doch nach Holunders Eröffnung ein unangenehmes Gefühl, etwa so, wie in
einer nachtdunklen Straße, in der man immerzu Schritte hinter sich zu hören
meint, aber niemanden entdecken kann – so ist dies nun einem ehrlichen Stolz
und der Gewißheit gewichen, über den Wächter unentwegt mit Copyworld   verbunden zu sein, wirklich dazu zu gehören.
    “Das könnte dir so passen”,
zischte er entrüstet. “Vielleicht weißt du noch gar nicht, was du –”
    “Still, verdammt nochmal!”
unterbrach ihn Holunder scharf, schaute einige Sekunden konzentriert auf den
Boden der Wohnblase und atmete dann erleichtert auf. Hyazinth hatte verblüfft
geschwiegen, denn in Holunders Augen hatte etwas gefunkelt, was ihm einen
Schreck eingejagt hatte.
    “Ich hätte deinen Wächter gleich
blockieren lassen sollen", fuhr Holunder fort. “Vorsorglich, schließlich
muß man ja jederzeit mit deiner grandiosen Einfalt rechnen. Allerdings ist es
ungleich komplizierter, einen Wächter über das Gegensystem auszuschalten –”
    “Aber sie merken es doch sofort!
Was hast du getan?” fiel Hyazinth ihm entsetzt ins Wort. “Ich bekomme
furchtbaren Ärger! Du hast mir alles verdorben… nein, ich werden ihnen gleich
sagen, daß ich damit überhaupt nichts zu tun habe! Glaube mir, das lasse ich
mir nicht gefallen!”
    Er klopfte nervös mit dem Knöchel
gegen seinen Hinterkopf, gegen die Stelle hinter dem Ohr, wo der kleine Sender
sein mußte, als könne er das Gerät damit wieder in Betrieb setzen.
    “Keiner merkt irgendetwas. Und du
wirst auch nichts erzählen. Ich habe es dir schon einmal gesagt: Wenn ich einen
Wächter ausschalte, rührt sich in der Gesundheitswache nicht das winzigste
Signallämpchen – wie haben ein perfektes Gegensystem. Daß du Esel selbst an dem
Wächter herumspielen würdest, konnte keiner ahnen…”
    “Wer ist das: wir?” fragte
Hyazinth ängstlich, denn plötzlich waren da wieder die Schritte in einer
nachtdunklen Straße hinter ihm.
    “Du sollst es erfahren… übrigens,
wir können hier offen und

Weitere Kostenlose Bücher