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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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und Fühlen sowie die Wechselwirkung zwischen diesem und den
Schopenhauerrealitäten betrifft. Möglicherweise weiß ich mehr über euch
Menschen als du. Ganz sicher aber weiß ich mehr über dich als du selbst – der
Oberste Projektant hatte mich beauftragt, deine Copyworld -Komponente zu
formulieren und zu überwachen. Ich mußte also dein komplettes Wächterarchiv
abfragen und aufarbeiten. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die jeweils
aktuellen Befehle artikulierte selbstverständlich der Oberste Projektant, ich
habe lediglich Übersteuerungen, Rückkopplungen, Abdriften, Fading und dutzende
anderer Erscheinungen aus dem Havariekatalog verhindert, beziehungsweise
korrigiert. Du hattest kein selbsterstelltes Basisprogramm, deshalb mußte ich
über dich wachen. Bis zum Schluß.”
    Hyazinth war das Lachen längst
vergangen, er schluckte verdattert und fragte verblüfft: “Wie… du willst damit
sagen, ein Ochs sei befugt, mein komplettes - wie nanntest du es gleich? – mein
komplettes Wächterarchiv einzusehen, alles, was seit meiner Geburt von diesem
verdammten Spion an die Gesundheitswache gesendet wurde?”
    “Dein gesamtes Leben. Lückenlos.
Einschließlich der subrationalen Denkprozesse. Übrigens - wir bevorzugen die
offizielle Bezeichnung Kreatid, sie charakterisiert unser Wesen treffender als
der wortspielerische Vergleich mit einem kastrierten Paarhufer.”
    “Ochs oder Kreatid, das ist jetzt
völlig unwichtig... Willst du wirklich behaupten, die Hohe Exarchie überläßt
solche Aufgaben Pseudoorganischen?” fragte Hyazinth noch einmal fassungslos.
    “Was ist daran so befremdlich? Du
hast dich sehr gründlich mit unserer Evolution und unserem Wesen beschäftigt,
du kennst unsere Soziologie und Psychologie – du bist einer der wenigen, die
begriffen haben: Man muß uns nicht fürchten. Weshalb fürchtest du dich nun
doch, wo du doch genau weißt, daß wir dem Basistrieb, dem Menschen unentwegt
und zuverlässig zu dienen, genau so bedingungslos ausgeliefert sind, wie ihr
Menschen dem Prinzip der Sexualität. Es hat mir viel Freude bereitet, deine
Seele zu studieren und im Gewirr der Kausalitäten von Copyworld   vor Defekten zu bewahren. Es war eine
wirklich angenehme Aufgabe, und ich habe viel interessantes dazugelernt…”
    “Seid ihr hier unten nur Ochsen,
ähh... Kreatiden?” flüsterte Hyazinth.
    “Weshalb dieser Pejorativ nur?
Woher denn diese plötzliche, emotional determinierte Furcht? Das paßt nicht zu
dem Hyazinth Blume, den ich kennengelernt habe… Nein, wir sind nicht
ausschließlich Kreatiden. Aber diese Welt unter der Welt ist das Reich der
Pseudoorganischen – das ist dir gut bekannt. Vor welchem Dämon fürchtest du
dich?”
    “Der Dämon tanzt auf einem Bein /
aus Glas durch unser Menschensein / mit Menschenlippen lächelt er / mit
Menschenhänden fächelt er / den gift’gen Odem mir in das Gesicht / der heiß aus
seinem Rachen bricht…”, zitierte Hyazinth beinahe unbewußt den ersten Vers
eines Gedichtes aus der Besinnlerzeit.
    “Dies sind keine Menschenhände.”
Der Kreatid streckte lächelnd seine zartgliedrigen Finger vor, dann zeigte er
auf seinen Mund. “Und dies sind keine Menschenlippen. Die Klauen eines
Paarhufers – verzeih den Vergleich! –” er lächelte konziliant “sind euren
Extremitäten viel näher verwandt, als die Manipulatoren eines Kreatiden. Unsere
Gesichter wolltet ihr so, dabei hätte man die vielen Indikatoren, Sensoren und
Analysatoren für all die Erscheinungen, die ihr nur mithilfe von peripheren
Geräten wahrnehmt, durchaus zweckmäßiger positionieren können – aber dann sähen
wir wohl einer Schnecke, einem Elephanten oder Tiefseefisch ähnlicher als einem
Menschen. Euer Wunsch aber war, daß eure Schöpfung dem schönsten Wesen gleicht,
das ihr kennt. Wir respektieren diesen Wunsch und haben ihn zum obersten Axiom
unserer Autoevolution erhoben, obgleich dies immer wieder zu lästigen
Kompromissen in Fragen der Effizienz führte…”
    Erneut lachte Hyazinth auf, ein
wenig erleichtert.
    “Ihr meint also, dieses Ebenbild
des Guten Onkels, zu dem ihr eure äußere Erscheinung geformt habt, entspräche
unserem aktuellen Schönheitsideal?” Er kicherte noch erheitert, als der
Subprojektant Nullnullachtzweineun erklärte: “Keineswegs. Vom Typ her wirkt
dieses Erscheinungsbild eher unattraktiv, unscheinbar. Wir haben jedoch, dank
aufwendiger Analysen festgestellt, daß diese Gestaltung unseres
vereinheitlichten Phänotyps den

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