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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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gerechnet,
solch eine furchteinflößende Masse von Aufrührern vorzufinden. Ruhig bleiben!
befahl er sich. Alles registrieren, jedes Detail. Und vor allem bekannte
Gesichter aufspüren. Das ist ja ein tausendkarätiger Stein!
    “Nun, Hyazinth Blume?” Hyazinth
nickte. Natürlich, das erklärte alles. Eine Perzeptorzelle ist ein technisches
Wunderwerk, und in ganz Weltenstein gab es vielleicht zwei- oder dreitausend
Perzeptionsplätze, alle unter strenger Kontrolle der Exarchie. Es war kaum
anzunehmen, daß die Rebellen die Möglichkeit hatten, die erforderliche Anzahl
von Perzeptorzellen heimlich und gut versteckt zu installieren. Außerdem war
fraglich, ob dieses überhaupt einen Sinn ergäbe. Wenn sie dank des Gegensystems
die Wächter beliebig manipulieren konnten, wozu sollten sie Kraft und Ideen
verschwenden, um eine andere Möglichkeit zu ersinnen?
    “Ich möchte unsere Versammlung
mit einer der vielen Weisheiten Kong-Qius beginnen, die unser hochverehrter
Undsoweiter bisher nicht zum Thema seiner Morgenworte erhob: Wenn man die
Aufrechten fördert und sie den Unehrlichen vorzieht, dann wird das Volk gehorchen.
Wenn man dagegen die Unehrlichen fördert und sie den Aufrechten vorzieht, dann
wird das Volk nicht gehorchen…” Leidenschaftlicher Beifall unterbrach den
Redner. Auch Hyazinth applaudierte – ehrlichen Herzens, denn dieser Spruch
gehörte zu denen, die er sich einst als moralische Leitsätze auserkoren hatte.
    “… der Meister sagte auch: Wer
seine Pflicht kennt, sich ihr aber entzieht, ist ein Feigling.”
    Das klang schon anders.
Erstaunlich, dachte Hyazinth, wie der Kontext der Realität über den Sinn einer
großen Wahrheit entscheidet. Hier meinte man ganz unmißverständlich die Pflicht
zum Widerstand! Die Kämpfer der letzten Stunde spendeten auch diesem Zitat
reichlich Applaus.
    “Eine wichtige Lehre jedoch hat
sich unser überaus geschätzter Undsoweiter zu eigen gemacht: Man kann dem Volk
wohl Gehorsam befehlen aber kein Wissen. Unser Mitkämpfer Beryll Stein wird zum
Problem des Gehorsams und den Bestrebungen der Exarchie, zu einer optimalen
Befehlsvariante zu finden, sogleich ein aufschlußreiches Referat halten. Danach
wollen wir die Neufassung der zwölf Generalgebote diskutieren.”
    Erst wollte Hyazinth es nicht
glauben. Obgleich Holunder bereits den Obersten Projektanten erwähnt hatte. Daß
dieser jedoch ohne Scheu und Skrupel vor dieser Zusammenrottung neobesinnlerischer
Elemente auftreten würde, hatte er nicht erwartet.
    Beryll begann ohne weitschweifige
Einleitung. Knapp und sachlich berichtete er über Pläne der Regierung, die
Kapazität der Gesundheitswache ungewöhnlich zu erweitern, damit mehr Wächter
als bisher zu Steuerungszwecken genutzt werden konnten. Die Kämpfer reagierten
mit einem Aufschrei der Empörung. Hyazinth erinnerte sich sogleich an die
Erklärungen des Ersten Exarchen, alle seine Mädchen seien von Sirrah Stern
“ferngelenkt” gewesen. Was ihn vor kurzem noch erschüttert hatte, war ihm nun
ein gar nicht so unangenehmer Gedanke: Immerhin war Sirrah stets bei ihm
gewesen…
    Die Kämpfer hingegen riefen
“Pfui!” und “Schande!” und “Verbrechergesindel!”, sie taten gerade so, als sei
dieses Vorhaben das Verwerflichste, das Menschen jemals erdacht hatten. Dabei
hätten sie doch lieber bedenken sollen, welche großartigen pädagogischen
Möglichkeiten sich dank einer solchen Regelung eröffneten! Ihm wurde immer
klarer, wie gefährlich diese Menschen waren, und längst schämte er sich nicht
mehr der Absicht, diese oppositionelle Bande unschädlich zu machen.
    Einzig der Umstand, daß er sich
in Beryll so gründlich getäuscht hatte, verunsicherte ihn etwas. Aber war es
nicht logisch, paßte es nicht zum gewissenlosen Schmarotzertum dieses Mannes,
daß er mit ebensolcher Rücksichtlosigkeit Ideale verriet und zu vernichten
suchte, die seinem selbstsüchtigen Streben offenbar im Wege standen?
    Hyazinth war sich seiner Sache
sicher, und irgendwie erfüllte es ihn mit Stolz, endlich das Vertrauen
rechtfertigen zu dürfen, das der Erste Exarch und der Masterteacher Opal immer
in ihn gesetzt hatten. Er lächelte ein wenig; es war ein arrogantes Lächeln der
Überlegenheit, wie er sich eingestand – aber war er diesen Wirrköpfen denn
nicht unendlich überlegen?
    Höchste Aufmerksamkeit! Mir darf
nicht das geringste entgehen, befahl er sich erneut.
    Beryll redete noch allerhand
dummes Zeug über Manipulation und Gedankenfreiheit, über Zwang

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