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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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muß eine Täuschung sein, eine dieser rätselhaften
Luftspiegelungen, wie sie in der Zeit der Staubstürme auch über Seemarks Ebenen
zu beobachten sind.   Derek schüttelt
zweifelnd den Kopf. Die größten Segler der seemärkischen Handelsflotte fahren
zwei Masten, und nur auserlesene Mannschaften beherrschen die Manöver solcher
Riesenschiffe.
    Als er hoch oben auf der
Steilwand der Drachenbucht steht und auf die Kriegsflotte von Tsalla herabschaut,
verschlägt es ihm fast den Atem. Je sieben Rahen an himmelhohen Masten, mit
silbrig schimmernden Platten beschlagene Bug- und Heckkastelle, ein
messerscharfer Rammsporn unter dem Bugspriet, zwei Reihen von Wurfmaschinen
hinter jeder Bordwand - jedes einzelne dieser gewaltigen Schiffe ist wie eine
uneinnehmbare Festung.
    “Tsallas Völker waren schon immer
kühne Seefahrer. Wer eine Insel seine Heimat nennt, muß am reichsten den
Göttern der Winde und der Fluten opfern...” Andorgas sagt es mit Stolz.
    “Aber....aber so etwas habe ich
noch nicht gesehen...” flüstert Derek verwirrt. “Auch Seemark befährt die
Weltmeere seit Ealtheas Zeiten, und unsere Wellenschlitzer haben das ewige Eis
ebenso gesehen wie die Hügelburgen der vierbeinigen Sandfresser - aber mit
euren Schiffen kann man wohl selbst den Himmel befahren...”
    “Für den Himmel haben wir unsere
Flugwerke.” entgegnet Andorgas trocken. Derek schweigt beeindruckt. Schon oft
hat er von den Fluggeräten der Thar gehört und davon, daß die Maschinen ohne
jede Zauberei durch die Lüfte fliegen. Nur dem Menschenverstand sei ihr
Entstehen zu danken, nicht der Gnade oder den Almosen eines launischen Gottes.
Aber wenn er aus Ajas Schriftentruhe die Folianten mit diesen seltsamen
Zahlensprüchen und Zeichnungen zu sehen wünschte, in denen angeblich alle
Weisheit der Thar niedergeschrieben war, dann wurde die Stimme der Ahne schrill
vor Zorn, und sie warf ihn mit einer magischen Geste der linken Hand auf den
Malachit des Thronsaals - einmal, zweimal, ein drittes Mal und immer wieder.
Bis seine Knie und Ellenbogen bluteten und er jaulend schwor, nie mehr nach den
ketzerischen Schriften der Thar zu verlangen. Aber gerade deshalb wuchs das
Begehren in ihm und füllte ihn mit Höllenhitze. Und eines nachts schlich er
sich in den Pendelsaal, erbrach die Truhe und schlug voller bebender Erwartung
den dicksten der Lederfolianten auf. Der brausende Schlag des Pendels ließ das
Kerzenlicht flackern, aber nicht daran lag es, daß Derek den Sinn der Worte,
Formeln und Skizzen nicht verstand. Immer wieder las er Seite um Seite. Hastig
erst, voller Ungeduld. Dann sorgfältig und konzentriert. Schließlich ärgerlich,
verzweifelt, mit Tränen der Wut in den Augen. Nur eines begriff er: Wer der
Zahlenakrobatik der Thar nicht zu folgen vermochte, würde auch den Rest nicht
verstehen.
    “Sie nennen es Mathematik,
Physik...und noch viele andere Namen haben sie für ihren Frevel gegen die
göttliche Ordnung unserer Welt...”
    Derek fuhr herum, das Herz wollte
ihm stehenbleiben, als er Ajas Krächzen hörte. Dann warf er sich freiwillig zu
Boden, denn er wußte: Jetzt würde sie wieder die magische Bewegung machen, die
ihn wie ein Fausthieb niederstrecken mußte. Aber Aja lachte nur böse.
    “Ja, winde dich nur wie ein Wurm
im Dreck, Ketzer. Hast du jetzt wenigstens begriffen, daß Ealthea dich nie
freigeben wird? Nie, nie, nie werden deine Augen den gefährlichen Sinn dieser
Worte sehen, nie wird dein Verstand auch nur einen Satz dieser Irrlehren
erfassen! Du gehörst der Urmutter...wie konnte ich auch nur einen Pendelschlag
lang glauben, du hättest die Kraft, ihrer Macht zu trotzen...”
    Derek brauchte lange, um die
Enttäuschung zu verwinden. Hatte er sich doch insgeheim genau das von den
Tharbüchern versprochen: gottgleiche Macht - aber ohne die Demütigung,
göttliche Zauber borgen zu müssen. Ohne das Bitten und Betteln magischer
Sprüche. Es war derselbe Stolz, mit dem er als Fünfjähriger Curdins Hand
wegstieß, als der Vater ihm zu seinem ersten Dreihornritt in den Sattel helfen
wollte...

 
    Aus dem Schatten der Kriegsschiffe
löst sich ein Schwarm schlanker Schaluppen und hält auf das Ufer zu. Derek
steht hoch oben über den Klippen auf einem Vorsprung der Steilküste, neben ihm
Damma, Eirik und Fürst Elmrich. Unten ist Andorgas bis zu den Hüften in die
Brandung gewatet und winkt den schnittigen Landungsbooten zu. Fürst Elmrich
brummt unentwegt vor sich hin, aber es ist ein wohlgefälliges Brummen. Er

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