Copyworld: Roman (German Edition)
eine simple Erklärung. Tremakut hat es ihm im Labor
vorgeführt: Sobald der Wind über die Sanddünen hinwegfegt, beginnen die
Myriaden von lockeren Sandkörnern zu klingen, weil sich auf der Oberfläche der
Quarzkristalle elektrische Spannungen bilden. Diese Erscheinung tritt nur bei
bestimmten kristallinen Konfigurationen auf, und deshalb ist sie nur in wenigen
Gebieten der Erde anzutreffen.
Na und? hatte Rhomega
geantwortet, als er ihn zur Rede stellen wollte. Gottes Stimme äußert sich eben
in solchen ungewöhnlichen physikalischen Prozessen, oder hast du etwa geglaubt,
da stünde irgendwo ein weißbärtige Alter auf einer Sanddüne?
Ein leises Zischen von der Spitze
der Marschkolonne.
Sofort ducken sich alle in den
Schatten einer Sicheldüne, verharren reglos. Hyazinth läßt sich der Länge nach
fallen und drückt das Gesicht in den Sand. Erst nach Sekunden wagt er es, ein
wenig den Kopf zu heben. Die Männer mit den Feldabweisern hantieren lautlos an
den Apparaten, huschen schemenhaft wie Geister hin und her. Vom Horizont nähert
sich dumpfes Brausen, und gegen das kaum wahrnehmbare Dämmerlicht der Wolken
zeichnen sich dunkle Punkte ab, werden rasch größer. In wenigen hundert Metern
Entfernung fliegen seltsame Airspider vorbei, wie Hyazinth sie nie zuvor
gesehen hat. Viel größer als die gewohnten Verkehrsmittel, merkwürdig gerippt
und mit Auswüchsen, die wie mit dicken Spiralen ummantelte Röhren aussehen. Es
sind sieben oder acht. In einem sanften Bogen verschwinden sie hinter den
Bergen.
Als Hyazinth sich erheben will,
faucht Tauphi hinter ihm leise: “Bleib unten! Sie können Spürbojen abgesetzt
haben!” Er geht sofort wieder in die Hocke, um das Abweiserfeld nicht zu
durchstoßen, das die Bioemissionen der Kämpfer abschirmt.
Erst wenn die Männer an den
Feldabweisern mit der Suchkomponente des Schutzfeldes die Umgebung abgetastet
haben, geht es weiter. Daran hätte er denken müssen
Auf einmal sind drei dumpfe
Explosionen zu hören. Hinter dem Horizont springt Lichtschein auf. Grellweiß
erst, dann in schmutziges Rot wechselnd, das sekundenlang in den Wolken
flackert.
Der Mann vor ihm dreht sich um
und flüstert: “Scheiße! Das waren die Transporter! Sie haben sie geortet.”
“Und wie kommen wir jetzt nach
Szingold zurück?”
“Vielleicht gar nicht!” Der Mann
hat ein feines Zittern in der Stimme und murmelt kaum hörbar weiter: “Denn
jetzt wissen sie, daß wir hier sind…”
Von vorne ertönen halblaute
Befehle, die sogleich weitergeraunt werden.
“Alles zu Tremakut… aber unten
bleiben, immer unter dem Abweiserfeld… die Abweiser rücken vorsichtig nach…”
Die Kämpfer sammeln sich um den
Mann, den Hyazinth als begnadeten Sitharsolisten kennengelernt hatte, ohne
damals ahnen zu können, daß Musikalität die geringste der vielen Gaben dieses
Menschen ist.
“Sie werden jetzt systematisch
die Wüste durchkämmen”, flüstert Tremakut. Er trägt wie alle anderen einen
sandgrauen Overall mit enganliegender Kapuze, aus der an der Halsmanschette
graues Haar quillt. In seinem faltigen, wettergegerbten Gesicht zucken nervös
die Mundwinkel.
“Wir sind dicht vor unserem Ziel.
Die letzten Kilometer werden wir im Eilmarsch unter Felddeckung zurücklegen.
Ich verlange absolute Disziplin!”
Die kleine Abteilung formiert
sich zu Dreierreihen, damit eine günstige Feldgeometrie ermöglicht wird. Dann
laufen sie los.
Hyazinth starrt ins Dunkel
voraus, wo bald die hohen Bunkersilos der Festung Van Zyl auftauchen müssen.
Erst hatte er nicht glauben wollen, daß es so etwas wie diese Festung gäbe.
Überhaupt wollte er anfangs vieles nicht glauben, was ihm im Stab der
antisteinistischen Revisionsfront erzählt und schließlich anhand
unwiderlegbarer Beweise klargemacht wurde. Als er aber begriff, was sie von ihm
wollten, gab es eine heftige Auseinandersetzung. Denn er verlangte, Van Zyl mit
eigenen Augen sehen zu dürfen. Sie wollten ihn nicht mitnehmen, weil sein Leben
zu kostbar sei, um in solch einer Routineaktion aufs Spiel gesetzt zu werden.
Aber er hatte darauf bestanden, seine Mitarbeit von der Entscheidung abhängig
gemacht. Sie mußten zähneknirschend nachgeben. Rhomega hatte geflucht wie ein
Ochsentreiber und Tremakuts Mund war vor Zorn zu einem schmalen Strich
zusammengekniffen.
Wenn alles stimmt, was sie ihm
eröffneten, dann ist er sein Leben lang gräßlich betrogen worden – dann aber
müssen sie auch verstehen, daß er nur noch seinen eigenen Sinnen
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