Copyworld: Roman (German Edition)
Dann noch einmal, und ein
weiteres Mal. Alles geht so schnell, daß Proteus in völliger Hilflosigkeit
erstarrt. Er hat nicht die geringste Chance zu reagieren. Als hätte
G*Null*D gemerkt, daß Proteus sich an
seine Fersen heften wollte, operiert er nun mit der zehnfachen Geschwindigkeit.
Keine Chance. Proteus fühlt sich unbehaglich. Der andere kann sich in Copyworld
offenbar so frei bewegen, als sei er der
eigentliche Herr über den gigantischen intellektronischen Moloch. Es kann nur
Res Cogitans sein! Er ist viel früher erwacht, als Proteus berechnet hatte!
Er muß mich als seinen Herrn
anerkennen! denkt Proteus mit leiser
Furcht. Er weiß, daß ich sein Schöpfer bin!
Während er automatisch weiter
nach dem Virus sucht, der sein Derek-Programm infiziert hat , überlegt er
hastig: Kann Res Cogitans überhaupt die Herrschaft über Copyworld an sich
reißen? Vermag er die kolossale Systemarchitektur zu erkennen? Wenn ein Mensch
in den ersten Lebensmonaten sich seiner selbst bewußt wird - erkennt er denn
damit auch die feinsten Strukturen seines Körpers? Nein, er lernt lediglich,
diesen Körper zu gebrauchen. Vielleicht weiß Res Cogitans ja gar nicht, daß es
mich gibt, daß wir beide uns den Riesenleib von Copyworld teilen.
Proteus stößt völlig überraschend
auf den Parasiten, prallt förmlich mit ihm zusammen, als er nur der Ordnung
halber in den intellektronischen Strukturen einer Billigvirtualität
herumstöbert. Dort geht es ausschließlich um Sex, und gerade als sich Proteus
gelangweilt abwenden wollte, glitschte ihm ein winziges Programm durch die
Finger, das sich windet und schlängelt wie ein Wurm, als er nun ein zweites Mal
zupackt.
Er begutachtet den Schmarotzer,
indem er ihn Bit für Bit zerpflückt. Der kleine Parasit zappelt noch, als
Proteus ihn bis auf das nackte mathematische Gerippe demontiert hat.
Intelligent gemacht! denkt er. Der Typ, der das da gebastelt hat,
ist wirklich talentiert. Wenn er den Schmarotzer nicht nach Seemark geschickt
hätte, wäre er von mir wohl nie bemerkt worden. Aha, hier hat er geschludert -
das muß ein sporadisches Feedback auf Hyazinths Wächter verursachen, der arme
Junge! Der wird denken, daß er verrückt ist... Moment mal, diese Sequenz kommt
mir aber sehr bekannt vor... Verdammt, das Ding ist von Beryll! Dieses elende
Miststück! Na warte, das wirst du mir büßen!
Flink setzt er das
Schmarotzerprogramm wieder zusammen, allerdings mit geringfügigen
Veränderungen.
Als er fertig ist, reibt er sich
schadenfroh die virtuellen Hände. Beryll soll sich wundern...
Sorgfältig programmiert er einen
realistischen Übergang zwischen dem jäh abgebrochenen Handlungsstrang und der
korrigierten Fortsetzung des Abenteuers mit den Meerhollen. Gerade will er sich
behutsam in die Identität Dereks zurückziehen - da geschieht es: Erst spürt er
ein feines Knistern und Knacken in allen Lichtleitern, Chips und Prozessoren.
Wie elektronischer Wind umweht es ihn
von allen Seiten. Es schwillt zu einem Brausen an, zu einem Sturm, zum Orkan -
es droht ihn hinwegzufegen. Tierische Angst springt in ihm auf. Was zum Teufel
geschieht da?! Was ist das?? Was geschieht mit Copyworld?? Ihm wird schlagartig
bewußt, daß er auf Ereignisse außerhalb Copyworlds keinerlei Einfluß, gegen
Gefahren von draußen keinerlei Abwehrmöglichkeit hat. Haben diese Idioten von
Revisionisten etwa einen Vernichtungsschlag gegen Copyworld geführt??? Das
Tosen der entfesselten Elementargewalten erschüttert seine elektronische
Konfiguration mit tödlicher Macht.
Ich muß die Wächter unter meine
Kontrolle bringen! durchzuckt es ihn. Mit den Wächtern kann ich sie fernsteuern
wie Roboter! Genial! Wieso komme ich erst jetzt darauf??!!
Plötzlich ist er in ein warmes,
goldfarbenes Leuchten gehüllt, das von allen Seiten auf ihn eindringt. Immer intensiver wird es, steigert sich zu
einem blendenden Gleißen. Das Gleißen verdichtet sich, wird greifbar, packt ihn
und schleudert ihn empor, reißt ihn aus dem Mikrokosmos. Proteus ächzt
fassungslos. Ein rasender Strudel öffnet sich vor ihm wie ein Teufelsrachen.
Proteus ist dem Wahnsinn nahe, als er spürt, daß sich sein virtueller Leib
dehnt und aufbläht, in den gräßlichen Malstrom hineingesogen wird, sich
aufzulösen beginnt.
Neeeiiiiiiin!!! Er kreischt vor Todesangst. Glühende Hitze
siedet in seinem Bewußtsein, brodelt, spritzt in feurigen Tropfen auseinander.
Unbeirrbar zerfetzt der Strudel seine Konfiguration wie
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