Copyworld: Roman (German Edition)
ein kosmischer
Fleischwolf.
Dann auf einmal wird er in dunkle
Nacht hinaus geschleudert. Schwärze. Stille. Reglosigkeit. Nichts... Nichts...
Nichts...
In der Dunkelheit blitzen winzige
Lichter auf. Einige wenige erst, dann immer mehr. Benommen versucht Proteus
sich zu orientieren. An irgendetwas erinnern ihn die funkelnden Pünktchen, die
sich zu merkwürdig bekannten Figuren ordnen.
Sternbilder! begreift er plötzlich mit dem winzigen
Staubkorn, das von seinem virtuellen Verstand geblieben ist. Das sind
tatsächlich Sternbilder!
Immer noch fällt er mit
irrsinniger Geschwindigkeit in die Unendlichkeit des Makrokosmos. Die Sterne bleiben
weit hinter ihm zurück und verdichten sich zu Haufen, zu Galaxien, zu
Metagalaxien - und dann erkennt er erschaudernd, wie sich das Sternengewebe zu
wabenartigen Mustern fügt, wie sich Hyperstrukturen abzeichnen, Schläuche,
Blasen, Wirbel aus funkelnder Supermaterie bilden. Und wie sich das alles zu
einer schillernden, unbeschreiblichen, extramateriellen Gestalt formt, die so
unvorstellbar riesig vor ihm aufwächst, daß Proteus angstgeschüttelt keucht:
“Wer... wer bist du??!”
Von überall her dröhnt die
Antwort: “Ich bin, der ich bin.”
Proteus erstarrt. Die Worte
wurden mit solcher Macht gesprochen, daß sie ihm als die Macht selbst
erscheinen wollen. Sie schwingen, beben, detonieren in ihm. Zerreißen ihn
beinahe.
Dann spricht die Gestalt ein
nächstes, noch mächtigeres Wort.
“Komm.”
Und Proteus stürzt hinein in
dieses Schillern und Leuchten.
Seine Suche nach Res Cogitans ist
beendet, es fällt ihm wie Schuppen von den virtuellen Augen.
G*Null*D - das hatte er ganz falsch gelesen! Es muß
G*O*D heißen.
GOD.
wer sein licht nimmt und es
zurückträgt zur helle
dem wird nie widerfahren ein leid
Laudse
(Daudesching, Kap. 52)
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Kapitel 16
Die
Kasematten von Copyworld
In einer langgezogenen Reihe
marschieren sie durch die Kalte Wüste. Schweigend, in die Schatten der hohen
Sicheldünen geduckt. Die Fahrzeuge haben sie schon vor Stunden abgestellt und
unter sandgrauen Planen versteckt. Alle tragen Waffen, auch die Frauen.
Hyazinths Handflächen sind feucht vor Aufregung. Immer wieder greift er nach
dem kühlen Schaft der Schwereschleuder, tastet über die rauhe Oberfläche des
Griffstücks und kontrolliert die Stellung des Sicherungshebels. Seit er das
erste Mal mit dieser Waffe geschossen hat, erfüllt ihn fast abergläubische
Ehrfurcht vor der Macht des Apparates.
Die Kalte Wüste liegt vor ihnen
wie ein sturmgepeitschtes Meer, das durch einen geheimnisvollen Zauber mitten
in der Bewegung erstarrt ist. Der Sand knirscht unter den Füßen, und in seinem
Kopf ist ein feines nervtötendes Zirpen. Hyazinth kennt dieses eigenartige,
unheimliche Singen. Sein Gehirn täuscht ihm mit diesen Geräuschen vor, er könne
die unsichtbare, unhörbare, unmeßbare Gefahr doch irgendwie wahrnehmen. Es ist
das Vibrieren der Angst in seinen Nervenbahnen. Hyazinth knirscht machtlos mit
den Zähnen. Aber das gespenstische Zirpen bleibt.
Einige Schritte hinter ihm läuft
Tauphi. In regelmäßigen Abständen dreht er sich um, gibt sich den Anschein, die
umliegenden Dünen zu mustern, um rechtzeitig drohende Gefahr zu erkennen.
Jedesmal huscht sein Blick wie zufällig über ihr Gesicht, aber nur einmal
konnte er gerade noch sehen, wie sie blitzschnell die Augen niederschlug. Sie
weicht ihm hartnäckig aus, aber irgendwie ist die Distanz zwischen ihnen immer
geringer geworden. Vor zwei, drei Wochen noch wäre sie nie so dicht hinter ihm
gelaufen.
Tauphi trägt eines der Geräte auf
dem Rücken, mit deren Hilfe sie Kontakt zu den Omegaschläfern herstellen wollen. In Hyazinths Tornister befindet sich
eine jener rätselhaften Energiequellen, aus denen die Gravitationswaffen
gespeist werden.
Sie sind insgesamt zweiunddreißig
Kämpfer, die durch die Schatten der Wüstennacht schleichen. Weit voraus läuft
die von Rhomega angeführte Dreiergruppe der Aufklärer.
Als vor einer halben Stunde Wind
aufkam, hörte Hyazinth wieder dieses schauerliche Klagegeheul und grinste
verkrampft bei der Erinnerung an seine erste Begegnung mit dem Weinenden Gott.
Zwar war es keineswegs eine üble Schmierenkomödie, was Rhomega ihm vorgespielt
hatte, sondern eher ein düsteres Gleichnis vom nahenden Ende der Menschenwelt –
aber dessen ungeachtet war es nur ein Spiel gewesen. Die furchtbare
Begleitmusik fand
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