Copyworld: Roman (German Edition)

stimmt!
    “Du wolltest es nicht glauben,
was?”
    Tauphis Stimme dringt wie von
weitem in seine aufgewirbelten Gedanken.
    “Sie genau hin! Das sind
Menschen. Angeblich sind sie alle digitalisiert. Hier findest du über ein
Viertel der Bevölkerung von Intrax. Sie liegen in ewigem   Omegaschlaf, bis… bis sie sterben…”
    “Aber… das kann doch nicht sein!”
Hyazinth brüllt auf und springt mit einem Satz zur nächsten Wabe. Hinter der
trüben Deckelwand erkennt er etwas, was unverkennbar ein menschlicher Kopf ist.
    “Aber das müssen ja Tausende
sein!”
    “Nein, Hunderttausende. Sie
liegen hier und träumen irgendeinen banalen Schopenhauertraum. Glaube nicht,
sie befänden sich in der Welt, die sie sich selbst geschaffen haben! Wir haben
verläßliche Informationen darüber, daß die   Omegaschläfer – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – alle einen
vergleichsweise trivialen Standardtraum durchleben.”
    “Aber das ist doch Betrug!”
Hyazinth kann es immer noch nicht fassen.
    “Eben”, entgegnet Tauphi
gelassen. “Gut, daß du es endlich einsiehst.”
    “Nein, nein – da stimmt was
nicht! In Weltenstein ist doch verkündet worden, Intrax sei hunderprozentig
digitalisiert worden, und die hier… die hier sind doch bestenfalls konserviert!
Die können nicht aus Intrax sein! Wahrscheinlich hat es einen Defekt in
irgendeinem System von Copyworld   gegeben, und man hat die Leute hier nur vorübergehend untergebracht.
Außerdem haben in Intrax achtzehn Millionen Menschen gelebt - und das hier ist
höchstens ein Zehntel...” Er ist ehrlich erleichtert, als er glaubt, endlich
eine plausible Erklärung gefunden zu haben.
    “Richtig, hier lagern knapp eine
Million Gehirne, umgeben von einem Versorgungssystem in Gestalt des
menschlichen Körpers - für achtzehn Millionen reicht die Kapazität von Van Zyl
bei weitem nicht. Aber das ist Copyworld , begreife doch endlich! Die Menschen,
die hier in diesen Behältern liegen und mit den intellektronischen Teilen von
Copyworld   gekoppelt sind – sie sind
Copyworld ! Überall auf der Welt liegen Abermillionen Betrogener in den
Perzeptorbecken einer ungeheuerlichen Denkmaschine. Alles andere ist Lüge. Es
gibt keine Digitalisierung! Sie ist technisch und biologisch einfach unmöglich.
Während die Leute, denen Weltenstein einem jeden sein ganz persönliches
Paradies versprochen hat, mit einem unbedeutenden Teil ihres Gehirns irgend ein
albernes Pseudoleben genießen, wird die wahre Kapazität ihres Denkvermögens von
diesem dummen und gefährlichen Moloch ausgebeutet. Sie sind es –” Tauphi deutet
mit einer bitteren Geste auf die Wand aus Perzeptorwaben “– die euch
Weltensteinern die Simulation für eure blöden Geo-Wettkämpfe und Selbstspiele
liefern. Sie sind das schöpferische Element in der Konzeption von Copyworld ,
nur sie allein!” Sie schweigt einen Augenblick und fragt bestürzt: “Kannst du
dir wirklich nicht vorstellen, wo die anderen siebzehn Millionen geblieben
sind?”
    Hyazinths Kehle ist wie
ausgedörrt. Er entgegnet heiser: “Du sagtest, die Digitalisierung ist technisch
und biologisch unmöglich... ich kann es nicht glauben, das würde ja
bedeuten...”
    “Bis jetzt ist sie absolut
unrealisierbar. Und alles spricht dagegen, daß sie jemals möglich sein wird.”
    “Aber verdammt noch mal! Ich war
in Copyworld !”
    “Durchaus möglich. Aber nicht als
Dig. Wir wissen zuverlässig, daß bisher alle Digitalisierungsexperimente
fehlgeschlagen sind…”
    Hyazinth spürt eisige Kälte in
der Brust. Das Ausmaß der Lüge wird unerträglich, und an das unglaubliche
Verbrechen, dem siebzehn Millionen Bürger von Intrax zum Opfer gefallen sein
sollen, wagt er überhaupt nicht zu denken. Aber es kann einfach nicht sein, daß
der Erste   Exarch von alldem weiß! Oder
Opal, Sirrah, Beryll. Beryll? Hyazinth stutzt. Da war doch dieser eigenartige
Gesinnungstest, das Kasperletheater mit dem Verschwörertreffen. Der Oberste
Projektant hatte sich recht seltsam verhalten und seine Fragen ausweichend
beantwortet. Ob Beryll hinter allem steckt? Ist er der Anführer einer Clique,
die unter dem Deckmantel der Lehre von der Große Umkehr ganz andere Ziele
verfolgt?
    Wenn er Tauphi richtig verstanden
hat, könnte Beryll sich mit Hilfe von Copyworld   die Gehirne von Abermilliarden Menschen unterwerfen! Diese Vorstellung
ist zu grauenvoll, als daß er daran glauben könnte.
    “Wenn wir Proteus nicht finden,
ist alle Hoffnung für diese armen