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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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quält ihn kaum. In Weltenstein gibt es keine
Unschuld. Blindheit und Dummheit sprechen den Menschen nicht frei von Schuld.
Womöglich ist Korund Stein der einzige Bürger Weltensteins, der von allem
nichts weiß, weil er von seinen verräterischen Vasallen gegen die Realität abgeschirmt
wird und nur frisierte Berichte und Meldungen erhält. Die anderen aber müssen
doch sehen, was in der Hauptstadt der DTEA geschieht!
    Er nähert sich vorsichtig dem
Fuße des Kegelturms. Bisher hat niemand von seiner Anwesenheit in Weltenstein
Kenntnis genommen, obwohl er den Wächter auf ausdrücklichen Befehl Tremakuts
nicht abgeschaltet hat. Zwar verstand er den Sinn dieser Anweisung überhaupt
nicht, aber mit der Zeit hat er sich daran gewöhnt, die Befehle des
Antisteinistenführers widerspruchslos zu befolgen. Obwohl auch Tremakut ihn
belogen hat: Immer wieder beteuerten er und Rhomega, die Verteidiger der
Festung Van Zyl seien ausschließlich Kreatiden. Vielleicht haben sie es nicht
besser gewußt – Hyazinth fällt es schwer, daran zu glauben. Sie wissen doch
sonst alles.
    Da ist die Nische, die Tremakut
ihm beschrieben hat. Im glatten Material der Wand sind keinerlei Linien,
Vertiefungen oder andere Unregelmäßigkeiten zu sehen, und doch soll sich hier
ein Notausgang des Schwebeschachtes befinden, der Korund Steins private
Labyrinthbahnstation mit seinem Arbeitszimmer verbindet.
    Hyazinth schaut auf seinen Mio –
in wenigen Minuten ist es Mitternacht. Selbstverständlich läßt sich der
Notausgang von außen nicht öffnen, aber Tremakut hatte mit geheimnisvoller
Miene gesagt, er solle nur Punkt Null Uhr Null an der bezeichneten Stelle sein.
Auf Hyazinths Frage, ob das nicht alberner Mystizismus sei, antwortete er:
“Lieber Hyazinth, um diese Zeit ist die große Wachablösung – das ist
Mystizismus, und zwar Weltensteiner. Blödsinniger kann man einen Dienstrhythmus
nicht gestalten. Für uns aber ist genau das der geeignete Augenblick, es ist
Bewegung im Kegelturm, Geräusche, Signale. Alle möglichen Indikatoren werden
umgestellt, die Posten sind für eine Weile mit anderen Dingen beschäftigt…”
    Ohne jede Ankündigung klappt
plötzlich ein Teil der Wand nach außen und gibt einen Einlaß frei, der gerade
so breit und hoch ist, daß ihn ein Mensch passieren kann. Bevor sich Hyazinths
Augen an das trübe Licht der Notbeleuchtung gewöhnt haben, verschwindet ein
Schatten flink zwischen Rohren und Kabelsträngen. Mit einiger Verwunderung
erkennt Hyazinth gerade noch einen spiegelblanken Schädel, gesäumt von einem
Haarkranz – ein Ochs!
    Eigentlich sollte es mich nicht
erstaunen, denkt er, immerhin haben die Antisteinisten Informationsquellen, die
den Verdacht nahelegen, daß ihre Verbindungen bis in die höchsten Kreise der
Märtyrer-Exarchie reichen.
    Hyazinth zögert, den
Schwebeschacht zu betreten. Das letzte Mal, als er im Kegelturm solch einen   Lift benutzte, kam er von einer der
aufregendsten Nächte seines Lebens. Es war jene Nacht mit Rutila, die sein
Leben in völlig andere Bahnen lenkte… Hyazinth stöhnt auf. Rutila… er wird sie
nie wiedersehen…
    Die letzte Begegnung mit ihr
wurde zum gräßlichsten Erlebnis seines Daseins.
    Als er Seemark verlassen hatte
und sich erschöpft die Kappe vom Kopf zog, fragte Rhomega sofort: “Was sagt
Proteus? Schnell, erzähle!” Während Hyazinths Bericht wurde sein
Gesichtsausdruck immer finsterer. Schließlich fluchte er laut los.
    “So ein verdammtes Arschloch! Das
ist etwas, was ich nie begreifen werde: Wie können derart genial veranlagte
Menschen nur solch eine miese kleine, verkümmerte Seele haben?” Er ballte die
Fäuste vor Zorn und brüllte: “Wegen solch einer Ratte haben wir die
opferreichste Operation seit Bestehen der Revisionistenarmee durchgeführt… alle
zurück! Wir müssen Tremakut und seine Leute so schnell wie möglich informieren,
damit nicht noch mehr von uns draufgehen!”
    Er befahl Sammeln und sofortigen
Abmarsch. Zu Hyazinth und Tauphi sagte er: “Ihr baut das Gerät ab und kommt
sofort nach! Ich lasse alle zweihundert Schritt einen Mann zur Deckung zurück,
der sich euch dann anschließt, aber nur innerhalb des Bunkerturms. Ihr seid
also unsere Nachhut. Keine unnötigen Schießereien, schnellster Rückzug!”
    Kaum hatte er geendet, lief er an
die Spitze seiner Abteilung, und bald darauf waren Hyazinth und Tauphi alleine.
Sie arbeiteten schweigend, nur einmal, als sich ihre Finger zufällig berührten,
hielt Hyazinth inne, griff

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