Copyworld: Roman (German Edition)
Kugeln, Zylindern, Spiralen und vor allem Kabelsträngen.
Ein wenig erinnert es Hyazinth an
Geräte, die er tief unter den Bauwerken von Weltenstein, in jener
Hauptschaltzentrale von Copyworld gesehen hat.
Das ist also nur eins von vielen
tausenden untergeordneten Nervenzellen des Projektes, denkt er mit Unbehagen,
und hier verschmelzen die geistigen Potenzen aller Omegaschläfer dieser einen Halle zu einem
unvorstellbaren Ding, für das es Vorbilder nur in der Intellektronik gibt. Das
alles hier ist nur ein Bausteinchen der gewaltigen Superintelligenz, die – wie
ein riesiges Korallenriff - einst aus Abermilliarden winziger Einzellebewesen
bestehen soll.
Tauphi reicht ihm eine Kappe aus
weichem, lederartigem Stoff. Mehrere Leitungsbündel führen davon zum Apparat,
den sie auf dem Rücken getragen hat. Die Innenseite ist mit unzähligen
Elektroden gespickt.
“Das soll funktionieren?” fragt
er ungläubig, die Kopfbedeckung unschlüssig zwischen den Händen drehend.
“Setz auf!” befiehlt Rhomega
knapp, und Tauphi fügt hinzu: “Es wird etwas anders sein als in einer Perzeptorzelle.
Du siehst Proteus’ Schopenhauerwelt nur als eine Art Projektion, in der du
pseudophysisch nicht in Erscheinung treten kannst, aber du hast die
Möglichkeit, zu ihm zu sprechen. Ich stelle den Tuner so ein, daß du ihn in
eine Zeitkontrolle schalten kannst, dann hast du Proteus selbst vor dir, nicht
seine Schopenhauer-Persönlichkeit. Mach deine Sache gut, Lieber!” Sie haucht
ihm einen Kuß auf die Wange, dann zieht sie ihm die Kappe über die Augen, und
um Hyazinth wird es zunächst stockdunkel.
Mit freudiger Erleichterung spürt
er dann, wie die Dunkelheit seine Gedanken aufsaugt, ihm die Last der
schrecklichen Erkenntnis vom Bewußtsein nimmt. Für einige Sekunden hat er das
Gefühl, in einem unaufhaltsam in die Tiefe stürzenden Fahrstuhl zu stecken – dann
wird es taghell.
so stellt der weise sein selbst
zurück
und ist den anderen voran
wahrt nicht sein selbst
und es bleibt ihm bewahrt
den ohne eigensucht
vollendet er das eigene
Laudse
(Daudesching, Kap. 7)
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Kapitel 17
Im
Namen des Vaters, des Sohnes und des Geistes von Copyworld
Der bleierne Nachthimmel über
Weltenstein dünkt Hyazinth wie ein Gleichnis auf die Gefahr, in der sich die
Märtyrergesellschaft befindet. Die dichte, graue Wolkendecke ist wie eine
Schale aus bröckelndem, verwitterten Beton, dessen Brocken jederzeit
herabstürzen und die Stadt unter sich begraben könnten.
Hyazinth massiert sich die von
den Filterstopfen aufgeblähten Nasenflügel. Er hatte fast eine halbe Stunde
gebraucht, um aus dem Gespinst der Kiemenkresse die beiden Stöpsel zu formen,
und irgendwie scheint ihm das bezeichnend für die Distanz, die er zu
Weltenstein nach der langen Abwesenheit empfindet.
Nur ein einziges Licht erhellt
die Nacht. Dieses winzige Leuchten an der Spitze des Kegelturms der Hohen
Exarchie ermutigt Hyazinth ein wenig. Korund Stein arbeitet wie immer bis in
die frühen Morgenstunden, opfert all seine Kraft dem Wohl dieser Welt – und
wird so schändlich betrogen von einer Bande von Verschwörern, die es zu
entlarven gilt.
Er zieht die Nadelpistole aus dem
Gürtel und verbirgt sie in den Falten seines weiten Szingolder Tagesoveralls.
Womöglich wird der Exarch seine Kleiderordnung mißbilligen, vielleicht ist es
gar ein unentschuldbarer Verstoß gegen das Audienzritual, in solch einem Aufzug
zu erscheinen, zudem noch ungeschminkt und vor Schmutz starrend. Nur den Zirkon
hat er sich an die Brust gesteckt, den Korund Stein ihm einst zum Abschied
schenkte.
Der Exarch wird mir verzeihen,
denkt Hyazinth, wenn er erst den Grund meiner Eile erfährt, die keinerlei
Verzögerung duldete.
Rhomegas Kundschafter haben einen
geheimen Schwebeschacht entdeckt, der direkt in das Zimmer des Ersten Exarchen
führt und nur von Korund Stein benutzt werden darf. Diese Entdeckung begünstigt
Hyazinths Vorhaben, unbeobachtet mit dem ersten Mann der DTEA
zusammenzutreffen, ungemein.
Und sollte sich ihm jemand in den
Weg stellen, wird er nicht zögern, zur Waffe zu greifen. Nichts stimmt mehr in
dieser Welt, überall muß man mit Verrat und Heimtücke rechnen.
Da bleibt kein Atem für lange
Fragen, neues Zeitmaß dieser verfluchten Tage ist der Augenblick, in dem ein
Laserblitz aufflammt und eine Nadelwolke ihr Ziel erreicht.
Selbst der Gedanke, daß es
Unschuldige treffen könnte,
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