Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
Vom Netzwerk:
nach Tauphis Hand und preßte sie gegen die Lippen.
Dann fragte er: “War nun alles umsonst?”
    Sie nickte stumm und strich ihm
tröstend über die Stirn. Diese unscheinbare Berührung gab ihm Kraft und die
Gewißheit: Nein, es war nicht umsonst! Ich habe Tauphi gewonnen in diesen
schrecklichen Stunden, dagegen ist alles andere bedeutungslos. Was kümmere ich
mich überhaupt um Dinge, die mich nichts angehen, setze mein Leben aufs Spiel,
statt es zu genießen? Mir ging es doch immer gut…
    Gerade als sie den anderen folgen
wollten, hörte Hyazinth das Getrappel von Schritten, dann Stimmen: “Hinterher!
Sie dürfen nicht entkommen!”
    Ihn beschlich ein ungutes Gefühl.
Das war eine Frauenstimme gewesen. Es gibt keine Kreatiden von weiblicher
Morphologie, also muß es die Stimme eines Menschen gewesen sein.
    Da, noch einmal dieser schrille,
wutentbrannte Schrei: “Hinterher, verdammt noch mal! Tötet sie! Tötet sie!”
    Irgendwie kam ihm der Klang der
Stimme vertraut vor, aber ihm wollte nicht einfallen, woher.
    Sie warteten mit angehaltenem
Atem, bis der Lärm sich entfernte und schlichen lautlos zum Ausgang der
Omegahalle. Hyazinth spähte in den Gang hinaus, dann sagte er mit
Erleichterung: “Wer immer das war – sie sind weg. Komm, beeilen wir uns!”
    “Irrtum, Hyazinth Blume! Sie sind
nicht weg!” Die schneidende Stimme in seinem Rücken ließ ihn für eine
Zehntelsekunde zu Stein erstarren, dann wirbelte er mit vorgestreckter
Nadelpistole herum.
    Im Ausgang stand breitbeinig eine
Gestalt in dunkelroter Uniform mit schwarzen Rangabzeichen. Anhand der Balken
und Winkel erkannte Hyazinth sofort, daß es sich um einen hohen
Offiziersdienstgrad handelte – aber nicht das war es, was ihm die Hand mit der
Waffe lähmte. Auch das Saphirband der Protektorgarde hätte ihn trotz der
Verblüffung nicht gehindert, das Leben der Geliebten zu verteidigen, obgleich
er auf einen Menschen hätte schießen müssen. Nein, alles das hätte ihn nicht
zögern lassen. Aber noch hervor er das im Halbschatten liegende Gesicht des
anderen erkennen konnte, hatte ihm bereits die Kontur des stämmigen und doch
geschmeidig wirkenden Körpers verraten, wer vor ihm stand. Unter den zarten
Schwüngen der Augenbrauen glühten zwei Augen in tiefem, rätselhaftem Grün, und
die volle Oberlippe, die dem Mund immer ein Aussehen verlieh, als sei er ewig
zum Pfiff gespitzt, war nun wie bei einer wütenden Wölfin hochgezogen, daß die
Zähne blitzten. Unter der Schirmmütze quoll der Patinaglanz der blonden Haare
hervor. Die Mündung der Laserpistole zielte genau auf Hyazinths Brust.
    “Rutila!” schrie er überrascht
auf. Seine Gedanken purzelten wild durcheinander. Sie hat es also doch
geschafft, dachte er immerzu. Sie hat es geschafft, ist Offizier der
Protektorgarde geworden. Sie hat es geschafft… Er war außerstande, etwas
anderes zu denken, und starrte nur wie hypnotisiert auf das kleine Loch, das
auf sein Herz gerichtet war.
    “Verrecken sollst du, verdammter
Verräter!” Ihr Gesicht war zu einer haßerfüllten Grimmasse verzogen, aber auch
sie zögerte. Auf einmal begriff Hyazinth, in welcher Gefahr er schwebte.
    “Rutila! Hör zu, ich erkläre dir
alles – ”
    “Du wirst niemanden etwas
erklären!” unterbrach sie ihn höhnisch, und ihre Augen verengten sich zu
messerscharfen Schlitzen, aus denen Eiseskälte glitzerte.
    Er sah noch das Aufblitzen des
Lasers und hörte dicht neben sich das Fauchen einer Plasmaladung, dann
schmetterte ihn ein Lanzenstich in die linke Schulter zu Boden. Vorerst spürte
er seltsamerweise keinen Schmerz. Für einen Augenblick verschwamm alles vor
seinen Augen, dann aber sah er das Bild in entsetzlicher Schärfe: Über Rutilas
Bauch blähte sich das Leder der Uniform zu einer rußschwarzen Blase, die sofort
zerplatzte. Wie von unsichtbarer Hand wurde ein mehr als faustgroßes Stück
Fleisch aus ihrem Leib gerissen, blutige Fetzen spritzten nach allen Seiten.
Rutila zappelte in einem bizarren Todeskampf, als habe sie eine
Hochspannungsleitung berührt, aus ihrem weit geöffneten Mund schoß ein
hellroter Blutstrahl, und sie kippte – noch immer zitternd und zuckend – nach
hinten um.
    Hyazinth heulte auf wie ein
Wahnsinniger. Der Schädel schien ihm auf einmal wie mit flüssigem Eisen
gefüllt, und der einzige Schmerz den er empfand, war dieser eine riesengroße in
seinem Kopf. Er meinte, die Schädeldecke müßte ihm platzen unter der
mörderischen Glut, das Gehirn müßte ihm auslaufen, und

Weitere Kostenlose Bücher