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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Ecken – was für ein
sonderbares viereckiges Gefäß ist das? Holunder hat die Worte einmal in sehr
abfälliger Weise gebraucht, um den Sinn der Großen Umkehr in Zweifel zu ziehen.
Jetzt sieht Hyazinth diese mahnende Frage in ganz anderem Lichte. Copyworld,
ein die ganze Erde bedeckendes Gehirn – ist das überhaupt noch ein Gehirn? Das
Gewebe aus natürlichen Neuronen, diesen Wunderwerken der Evolution, ist doch zu
einem ganz anderen Zweck entstanden. Kann es nicht entarten, wenn man ihm
völlig neuartige Aufgaben stellt, es mit künstlichen Bausteinen zu einem
unfaßbaren Wesen verbindet?
    In Gedanken sieht er Opal
mißbilligend den Kopf schütteln. Natürlich, der Denkfehler ist offensichtlich.
Die Nervenzellen sind nicht für einen bestimmten Zweck entstanden, sondern
umgekehrt: Der Zweck hat sich dieser zufällig durch Mutation und Selektion
geschaffenen Gebilde bemächtigt. Die einzelne Zelle ist nichts weiter als eine
Struktur, wenngleich eine sehr komplizierte. Und wenn man sie vom menschlichen
Organismus isoliert betrachtet, ist sie ebenso ein Rohstoff wie etwa das
Silikat, aus dem Trägerkerne und Bunkerwände bestehen. Ein ungleich höherer
Organisationsgrad der Materie kann schließlich kein Grund sein, auf ihre Nutzung
zu verzichten. Man kann Struktur und Funktionsweise eines Neurons ohne weiteres
mithilfe herkömmlicher Intellektronik modellieren. Die Natur jedoch hat eine
viel besser Lösung anzubieten – nichts wäre dümmer, als diese aus
metaphysischer Tradition abzulehnen. Eigentlich müßten ja gerade die
Metaphysiker hocherfreut darüber sein, daß die menschliche Seele ihr Geheimnis
nicht preisgeben will, daß sie sich nicht intellektronisch erzeugen läßt,
sondern nur zusammen mit Hyperstrukturen lebenden Gewebes in die Nano- und
Pikoprozessorengeflechte der Denkmaschinen einzudringen vermag...
      Copyworld ist kein viereckiges Gefäß ohne vier
Ecken, sondern eine grundsätzlich neue Lebensform. Und wer wagt die Behauptung,
menschliches Denken sei nicht fähig, eine völlig neue Qualität zu erreichen,
deren unvorstellbare Quantität lediglich die Erscheinung charakterisiert, nicht
aber den Inhalt?
    Plötzlich wendet der Transmitter
den Kopf nach links. Auch Hyazinth ist die Bewegung im dämmerigen Schatten der
Ruinen nicht entgangen. Irgendetwas flattert gemächlich zu Boden und gibt eine
hellrot leuchtende Schrift frei, die in großen Lettern auf einem Mauerrest
prangt:
    Nieder mit dem   Omegaschlaf – alle Macht der Parafraktion!
    Hyazinth weiß damit nichts
anzufangen, aber allein der kategorische Ton dieser Forderung erfüllt ihn mit
Unbehagen. Nieder! So etwas sagt man nicht. Man redet miteinander und sucht
nach Lösungen. Nieder – das fordern nur Wirrköpfe. Außerdem, was könnte man
denn überhaupt gegen den Omegaschlaf einwenden? Jeder Bürger der DTEA sehnt
seinen Omegatag herbei wie nichts anderes auf der Welt, den Tag, an dem ihm
Eintritt in die Wartehallen von Copyworld gewährt wird, den ersten Tag seiner
neuen Existenz! Was stört den Verfasser dieser wirren Worte an der Tatsache, daß
der zukünftige Dig noch einige Zeit auf seinen Körper angewiesen ist, während
sein Geist bereits die wunderbaren Welten von Copyworld durchwandert?
    Hyazinth empfindet tiefe
Abneigung gegen den anonymen Schreiber. Umso mehr irritiert ihn das Lachen des
Transmitters, als einer der Ochsen sogleich davonstürzt und die noch frische
Farbe mit bloßen Händen von der Mauer zu wischen sucht. Schließlich reißt sich
das Geschöpf die grüne Uniformjacke vom Leibe und verschmiert die Farbe zu
unleserlichen Flecken. Der Exekutivandroid mit den vielen Sternen auf den
Schultern nickt beifällig. Trotzdem bleibt Hyazinth das Ganze rätselhaft, und
eine Weile wundert er sich über jenen rätselhaften Zufall, der einen Hagel von
Gesteinsbrocken auf den Ochsen niedergehen läßt, der den Steinen geschickt
ausweicht und in weiten Sätzen die Flucht ergreift. Nun muß auch Hyazinth
lachen, denn zu seltsam sieht es aus, wie der dicke Ochse über die Trümmer
stolpert und versucht, im Laufen die fleckige Jacke überzustreifen.
    Weiter geht es durch Staub und
Trümmer. Immer wieder blickt der Transmitter zu der mit roten Farbspritzern
gesprenkelten Glatze des Androiden, und Hyazinth ärgert sich darüber zunehmend,
denn jedesmal, wenn er sich ein Detail genauer ansehen will, zuckt das Bild
wieder zurück und zeigt die von einem Haarkranz umgebene Kopfhaut, wobei das
alberne Kichern des Transmitters zu

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