Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
Vom Netzwerk:
Fadenschaum, mit dem ihn Federchen jede Nacht einhüllt, seine
eigentliche Wirkung erst nach etlichen Jahren entwickeln? Noch wagt er nicht zu
jubeln, aber er greift sich ins Genick, wo Federchen leise girrt und streichelt
ihren Hinterleib.
    Manches Mal hat er schon gedacht,
daß der Tod besser wäre als solch ein Leben. Zwar hat er sich immer wieder
gescholten für seinen Kleinmut, aber wenn der Schwefel zwischen den Schuppen
gar zu sehr juckte, dann verfluchte er jedesmal aufs Neue sein Schicksal und vergaß,
daß Abermilliarden Menschen viel schlimmeres Leid erdulden müssen.
    Ja, oft hat er gefrevelt und an
den Tod geglaubt, als sei er nur wie die ersehnte Ruhe nach einem langen,
aufregenden Tag. Nun aber wird ihm schlagartig bewußt, daß er trotz allem zu den
Auserwählten gehört, weil ihm immer noch das Wichtigste im Leben geblieben ist
- die Hoffnung.
    Wie von selbst sprechen seine
Lippen ein Wort des Meisters: Wer noch nicht das Leben kennt, wie will der wohl
den Tod begreifen?
    Hyazinth lacht voller Freude und
Hoffnung.
    Aber da sieht er plötzlich einen
entsetzlich tiefen Abgrund vor sich - ein Schritt noch, und er wäre
hinabgestürzt! Das Herz will ihm fast stehenbleiben, als er in den gräßlichen
Schlund hinabstarrt. Und dann sieht er noch etwas: Ein seltsames Wesen,
engelhaft, mit seltsam hilflos flatternden Schwingen, fällt in diese unendliche
Schlucht hinab - Hyazinth weiß nicht, aus welchen geheimen Regionen seines
Unterbewußtseins dieses Bild plötzlich hervorquillt. Er weiß überhaupt nichts
mehr, denn diese neuerliche Halluzination drückt ihn mit überirdischer Macht zu
Boden. Er sinkt auf die Knie und heult auf in einem völlig unbegreiflichen,
grausamen Schmerz.
    Ich bin verrückt! Ich drehe
durch! Scheiße, verdammte, was hat mich da erwischt!!

 

 
    Der Zusammenhang der
Vorstellungen
    unter sich nach dem Gesetze der
Kausalität
    unterscheidet das Leben vom
Traum.
                                            Immanuel Kant
    _______________________________________________________

 
    Kapitel 5
    Die
Thar

 
    Schnaufend vor Anstrengung steigt
Derek den Hang hinab, wühlt sich durch den hohen Schnee. Der Sichelmond ist
längst hinter den Bergen verschwunden und Morgendämmerung steigt neblig aus den
Tälern empor. Bis auf den Berg Attanai hinauf reichen die eisigen Schwaden. Das
schwarze Ei des Bergholls drückt auf seinen Rücken als wäre es aus purem Gold.
Es ist so groß wie ein Kinderkopf, Derek mußte es in seinen Umhang aus
Springbüffelhaut einknoten.
    Der Abstieg in die dunkle
Schlucht war riskant. Kaum sah er die Vorsprünge und Spalten, die seinen Händen
und Füßen unsicheren Halt gaben. Immer wieder mußte er daran denken, daß kein
Laut aus der Tiefe an seine Ohren gedrungen war, als sich der Holl in den Tod
gestürzt hatte, daß nur die Wipfel der Eisfichten leise klingelten. Als er endlich
den knorrigen Baum erreicht hatte und nach dem Ei langte, zuckte seine Hand
erschreckt zurück. Das schwarze Ei war so heiß wie eine Herdplatte, und nun sah
Derek auch, daß es nicht nur sein keuchender Atem war, was ihn in weißlichen
Nebel hüllte.
    Das Eis dampfte vor Hitze wie der
Schlot des Berges Attanai...
    Auch deshalb hatte er es in den
Umhang einknoten müssen. Eisig fuhr die Kälte in seinen Leib, das goldglänzende
Gewand Laux konnte ihn nicht davor schützen, denn das Sonnenfunkeln der tausend
Goldzobelfelle spendet keine Wärme, aber es blendet die Augen des Gegners, und
nur deshalb hat Muhme Aja ein ganzes Jahr ihrer längst vergessenen Jugend
geopfert, um mit dem feinen Gespinst des Sternenlichtes das Fürstenkleid der
Herrscher Seemarks zu nähen.
    Der schmale, verschneite Pfad
mündet in einen unter der dicken Schneedecke nur noch zu ahnenden Hohlweg.
    Freudig schnaubend springt Gadar
aus dem Schatten einer umgestürzten Eisfichte. Seine Hufe wirbeln weiße Wolken
auf, er schüttelt den schmalen Kopf und pflügt übermütig den aufstiebenden
Schnee mit dem aus der Stirn ragenden Mittelhorn.
    Derek läßt sich schweratmend zu
Boden sinken. Gadar bleibt vor ihm stehen und stubst ihn vorsichtig mit der
Nase an, aus den Samtnüstern seines Reittiers schlägt Derek warmer Hauch
entgegen. Fragend sind die großen, dunkelbraunen Augen des Dreihorns auf ihn
gerichtet.
    “Es ist vorbei, mein guter
Gadar”, sagt Derek   und erhebt sich
ächzend. Er tätschelt dem Tier den Hals, und Gadar legt ihm zutraulich den Kopf
auf die

Weitere Kostenlose Bücher