Copyworld: Roman (German Edition)
”
“Du hast durch deine Gäste
ausrichten lassen, daß wir einen Spießbraten bereiten sollen”, fährt ihm der
Hofalkalde ins Wort.
Derek runzelt mißbilligend die
Stirn. “Seit wann brauchen wir dafür die Zugtiere unserer Bauern, du Dummkopf?”
Gunder duckt sich ein wenig und
zischt böse: “Er will nicht sagen, wo er den Rosenhornhirsch versteckt hat, den
er vorgestern erlegte, Großherr. Deshalb nahm ich den Stier.”
Noch finsterer wird Dereks Miene.
Diesmal aber gilt sein Groll dem Bauern. Sie werden wirklich dreist, denkt er
und herrscht Garrelf an: “Was höre ich da, Bauer? Lohnt ihr so meine
Großzügigkeit, die euch gestattet, von meinem Wild zu nehmen, was eure Mägen
brauchen? Seit wann wird dem Palast verweigert, was des Palastes ist?”
Garrelf blickt ihm kühn ins
Gesicht. “Mehr als die Hälfte deiner Männer dient in deinem Heer, Großherr.
Deshalb haben wir unsere Felder zusammengelegt und bearbeiten sie von nun an
gemeinsam. Strengste Gerechtigkeit haben wir uns geschworen, fest wollen wir
beieinander stehen in unserer Not. Und um diesen Bund zu siegeln, sollte heute
ein Fest stattfinden. Darum gab ich Gunder nicht den Hirsch...”
Derek geht nachdenklich auf und
ab. Die Bauern haben sich zusammengeschlossen? Wie eine einzige große Familie
leben sie jetzt? Strengste Gerechtigkeit, festes Zusammenstehen? Das klingt
nicht übel. Keine Nahrung mehr finden Neid und Mißgunst, Habgier und Eigennutz,
wenn alles allen gehört. Brave Leute, die in der Not zusammengehen, wo andere
eifersüchtig über ihre vollen Speicher wachen. Zu Curdins Zeiten gab es solches
nicht, da war jeder Bauer Herr über seinen Flecken Erde, und Hilfe kostete Zins
und Zinseszins. Neues wächst in Fünfecken, denkt Derek, und ich habe es nicht
gesehen.
“Gut”, sagt er schließlich, “ ihr
sollt euer Fest feiern mit einem saftigen Braten. Aber Garrelf und Haffe müssen
ihren Frevel büßen, sie haben Hand an einen Mann des Palastes gelegt!”
Die beiden Bauern erbleichen, aus
Gunders Richtung hört Derek ein schadenfrohes Kichern.
“Großherr Derek, seid nicht gar
so streng...” murmelt Eirik bestürzt. Derek wartet noch ein Weilchen. Soll die
unheilverkündende Stille ein Höchstmaß an Wirkung verrichten, desto mehr werden
sie ihm seine Gnade danken, denn das Gesetz fordert für das Vergehen eine harte
Strafe: Eine Hand jedes Bauern gehört dem Scharfrichter.
“Eine Kiepe Mondpilze von jedem,
bis morgen früh!” befiehlt er dann. Selbst für eine ärgere Untat würde er seine
Bauern nicht verstümmeln lassen. Der Palast ist so stark wie seine Dörfer, hat
Curdin immer gesagt. Und jetzt, wo gegen Rorik gerüstet werden muß, zählt erst
recht jeder Arm.
Garrelf und Haffe atmen sichtlich
erleichtert auf. Dafür knurrt Gunder enttäuscht, schweigt aber sogleich unter
dem herrischen Blick Dereks.
Sie werden die ganze Nacht durch
die Berge kriechen und steifgefroren wie Eiszapfen des Morgens in ihre Betten
sinken, denkt Derek, das ist sehr wohl eine Strafe. Mit bloßen Händen müssen
sie den Schnee durchwühlen, denn nur mit ungeschützten Fingern sind die feinen,
den Schnee durchziehenden Fäden des Pilzgeflechts zu spüren, aus dem die zarten
Fruchtkörper wachsen.
Sollen sie jetzt froh sein, glimpflich
davon gekommen zu sein – spätestens gegen Mitternacht werden sie jämmerlich
heulen vor Wut und vor Kälte...
Derek verabschiedet sich von
Andel und bittet Eirik um Pfeil und Bogen.
“Willst du noch einmal hinaus?”
fragt der besorgt.
Derek schnauft verdrossen. “Ich habe meinen Gästen einen Spießbraten
versprochen...”
Der Schmied drückt ihm lange und
fest die Hand.
“Der Sohn Curdins ist der größte
aller Herrscher Seemarks”, sagt er leise. “Möge Ealthea ihr Pendel ewig für
dich schlagen lassen, Großherr Derek.” Dann wirft sich der Schmied ein
Büffelfell über und sattelt stumm sein Reittier.
“Wohin reitest du, Eirik?” fragt
Derek erstaunt.
“Du hast deinen Gästen von Tsalla
einen Spießbraten versprochen, denke ich, also laß uns eilen und einen
Rosenhornhirsch schießen, bevor Garrelf und Haffe den Wald zerwühlen und mit
ihrem Zähneklappern alles Lebendige in die Flucht schlagen!”
Eirik lacht dröhnend.
Dunkel ziehen Wolken auf, ballen
sich erst über den Bergen zu formlosen Klumpen, um dann wie eine graue Wand in
den Himmel zu wachsen.
Hoffentlich erfriert die Saat
nicht, denkt Derek beunruhigt, und hoffentlich schwemmt das Schmelzwasser nicht
wieder
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