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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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und die Augen schließen.
    “Bei Ealtheas Pendel!” ruft der
Schmied erstaunt und mit Anerkennung in der Stimme aus. “Und wie bist du dem
Holl entkommen?”
    Derek starrt in das prasselnde
Feuer und erzählt. Als er geendet hat, bearbeitet Eirik schweigend die glühende
Klinge. Schließlich brummt er befriedigt: “Du hast den Holl also bezwungen. Das
ist gut, mehr als ich zu hoffen wagte. Nun aber mußt du das Ei zerbrechen und
die Schale zu feinstem Pulver reiben, bevor der junge Holl geschlüpft ist, denn
danach verliert es sofort seine teuflische Kraft!”
    “Ich weiß, Muhme Aja hat es mir
gesagt.”
    Wieder schlägt Eirik auf das
Eisen ein, allmählich ändert sich die Form der Klinge.
    “Hat dir die Muhme Aja auch
gesagt, daß man schwarz wird von dem Trank?”
    Derek nickt düster. Ein Becher
des Gebräus, das Aja aus der Schale bereiten wird, gibt Unsichtbarkeit für die
Frist, die zwischen Untergang und Aufgang des Mondes verstreicht, deshalb wirkt
der Trank nicht jeden Tag, manchmal nur nachts, je nachdem, wann der Mond am
Himmel steht. Aber jeder Schluck färbt die Haut dunkler, bis sie selbst so
schwarz wie die Nacht ist, und kein Mittel kann diese Finsternis aus dem
Gesicht des Menschen waschen, der den Trank probierte.
    Ich werde es trotzdem tun, das
bin ich Vater Curdin schuldig. Und dann hat Roriks letztes Stündlein
geschlagen.
    Fontänen aus blitzenden Funken
spritzen unter Eiriks Hammer hervor, lassen flackernde Lichter und zuckende
Schatten durch die Schmiede tanzen.
    “Die Thar, was mögen sie wollen?”
fragt Eirik. “Wo die Rotaugen reiten, folgen Krieg und Tod den Spuren der
Männer.”
    “Du meinst, sie bringen eine Kriegserklärung?”
Derek ist erschreckt aufgesprungen.
    “Ruhig, Großherr von Seemark,
kühles Blut!” antwortet der Schmied beruhigend. “Noch nie haben die Thar einen
Krieg begonnen, obwohl sie nie im Frieden lebten. Es ist ein armes Volk, dessen
Reichtümer immer wieder begehrliche Blicke auf sich ziehen. Ein armes Volk,
denn das höchste Gut auf Erden bleibt ihnen verwehrt: der Frieden.”
    “Ich glaube, sie lieben den
Frieden nicht sehr!” erwidert Derek heftig.
    “Sie haben verlernt, was Frieden
ist”, sagt Eirik bedächtig. “Wie kann man ein Ding lieben, dessen Natur einem
so gänzlich fremd ist?”
    “Was werden sie tun, wenn alle
Gegner überwunden sind?” fragt Derek grüblerisch. Eine Weile schweigt der
Schmied und schlägt wütend auf das Eisen ein. Dann hält er inne und starrt wie
abwesend in die Glut des Schmiedefeuers.
    “Sie werden ausziehen in die
Welt, überall dorthin, wo noch Klingen aufeinanderklirren. Sie werden jedem
dienen, der ihnen sagt, seine Sache sei die Gute, und die des anderen die
Schlechte. Eines Tages werden sie einander gegenüberstehen, und vielleicht
lernen sie dann, den Frieden zu lieben...” antwortet er dumpf.
    Mit zwei wuchtigen Schlägen gibt
er dem Eisen die endgültige Form und dreht es prüfend hin und her.
    “Was hast du da geschmiedet?”
fragt Derek erstaunt und erhebt sich.
    “Wir brauchen nicht nur Schwerter
und Leibsensen”, antwortet Eirik und legt die Pflugschar wieder auf den Amboß.
    “Aber das war eine gute Klinge!”
    Eirik sieht ihn ernst an. “Der
Krieg frißt Eisen wie ein Säbelzahneber die Schneerüben auf unseren Feldern.
Seit wir gegen Rorik rüsten, werden in Seemark nur noch Waffen geschmiedet.
Garrelf aber braucht eine neue Pflugschar, und ich habe kein Eisen mehr. Wird
uns die eine Leibsense mehr fehlen als das Korn von Garrelfs Feld? Dann
schmiede ich das Eisen wieder um – befiehl was zu geschehen hat!” Eiriks Augen
glänzen im Feuerschein. Finster starrt Derek auf die Pflugschar. Ja, der
Schmied hat recht: Es ist nicht leicht, Seemarks Volk gegen Rorik zu wappnen.
Immer ärmer werden die Dörfer, doch zahlen sie den Zins noch ohne Murren,
bekommen sie ihn doch als Rüstung und Wehr zurück. Aber mit der Leibsense kann
man nicht die Scholle brechen. Tausende Hände fehlen auf dem Feld, weil sie Tag
und Nacht für den Krieg arbeiten. Niemand kann ihm, den jungen Großherrn von
Seemark, diese Last von den Schultern nehmen.
    Herrschen ist wie ein Fußmarsch
durchs ewige Eis, hat Curdin immer gesagt. Du belädst dich mit Sack und Pack,
daß du glaubst, keine tausend Schritte gehen zu können – aber wehe dir, du
beugst dich nicht unter die Mühsal, willst den Rücken schonen: Das ewige Eis
ist so erbarmungslos wie Ealtheas Pendel, es wird dich zerschmettern, wenn

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