Copyworld: Roman (German Edition)
bin ich einfach zu
dumm?”
Opal blickte sinnend auf die
Wolken herab, die in zarten Schleiern über Villafleur dahinwehten. Seine Lippen
bewegten sich wie im Selbstgespräch, dann stach wieder das Funkeln der schwarzen
Augen unter den erneut in die Stirn gefallenen weißen Haaren hervor, und er
flüsterte heiser: “Der Märtyrer handelt erst wie er denkt. Dann spricht er wie
er handelt. Nimm dieses Wort des Meisters als dein ganz privates dreizehntes
Generalgebot, Hyazinth.” Nach diesen dunklen Worten schaute er wieder auf
Villafleur hinab, das bald Weltenstein heißen soll, und schwieg. Offenbar
betrachtete er das Gespräch damit als beendet.
Anfangs dachte Hyazinth, das
Zitat bezöge sich auf das Handeln des Ersten Exarchen, und er war richtig entsetzt, eine so deutliche Anspielung der
Art, wie er sie nur aus dem Munde Holunder Baums kannte, vom Masterteacher zu
hören. Dann jedoch hatte Opal klargestellt, daß es an seinen Lieblingsschüler
gerichtet war.
Aber was wollte der Lehrer damit
sagen? War es eine Aufforderung zum Handeln? Was sollte er denn tun? Oder war
es nicht vielmehr eine Mahnung zu schweigen?
Wie er es auch drehte und wendete
– es blieb nur die dunkle Ahnung, daß er wohl doch noch nicht reif genug war,
um den großen Gedanken Opal Steins folgen zu können.
“Morgen früh um acht. Iß vorher
ordentlich und reiße dich wenigstens einmal in deinem Leben zusammen, wenn du
vor dem Exarchen stehst”, sagte Opal schließlich, als sei weiter nichts
gewesen. “Für die Frage, die ich dir eigentlich stellen wollte, ist es wohl
noch zu früh…”
Er strich sich die Haare aus dem
Gesicht und blickte streng auf seinen Schüler: “Und bei allen Geistern, die
jemals die Welt bevölkerten: Grinse nicht so blöd, wenn der Exarch mit dir
spricht! Meinetwegen zähle bis hundert, wenn es gar nicht anders geht, aber
verschone unseren hochgeschätzten Ehrenmärtyrer mit dem Anblick deiner
Schneidezähne!”
Hyazinth senkte demütig den Kopf
und nickte ergeben. Nun hatte es auch Opal Stein gesagt - das mit seinem
angeblich so mißratenen Lächeln - im selben mißbilligendem Ton wie Jade. Was
haben die Leute nur gegen seine Schneidezähne? Ob Opal gesehen hat, daß er in
dem einen statt des Diamanten einen kleinen Aquamarin trägt? Sicher ist es
nicht geschmackvoll, eine solch ungeschickte Kombination zu tragen, aber was
sollte er denn tun?
Als er an den morgendlichen
Besuch in der Edelsteintracht dachte, fiel ihm ein, daß er ja immer noch die
flache Schachtel mit dem Wanddisplay unter dem Arm trug. Zögernd reichte er es
dem Masterteacher, der erstaunt die Augenbrauen hochzog. “Für mich?”
Opal wickelte das Geschenk aus
und hielt es mit ausgestrecktem Arm von sich, als prüfe er mit Kennerblick die
Anordnung der Rubine.
“Aha, ein Opal… ein wirklich
schönes Stück…”, sagte er und beinahe schien Wehmut in seiner Stimme zu liegen,
als er leise anfügte: “Es ist das erste Mal in meinem Leben, daß mir jemand ein
Geschenk macht.”
“Aber deine vielen
Auszeichnungen, Masterteacher!” entfuhr es Hyazinth ungläubig. “Das sind doch
viel großartigere Geschenke als diese Kleinigkeit.” Dabei zeigte er etwas
verlegen auf die funkelnde Bildscheibe.
Opal lachte herzhaft, aber
irgendwie erschien es Hyazinth wie ein unfrohes, ärgerliches Lachen.
“Erstens sind Auszeichnungen
keine Geschenke, du Schafskopf, und zweitens –” An dieser Stelle unterbrach er
sich und wühlte in einer Schublade unter dem mondsichelförmigen Terminal.
“Hier!” Er holte ein flaches
Kästchen aus tiefschwarzem Onyx hervor, wischte mit dem Ärmel seines Trikots
den Staub von der glänzenden Oberfläche und klappte es auf. “Das habe ich für
dreißig Jahre treue Dienste an der Idee von der Großen Umkehr erhalten. Dreißig
Jahre! Vor gar nicht so langer Zeit war das noch ein halbes Leben…”
Hyazinth schrie entzückt auf.
Fünf prächtige, kirschgroße Olivine, umgeben von hunderten kleiner Brillanten,
an einem mit Goldberyllen verzierten Samtband, von einer Spange gehalten, die
aus einem glimmenden Tigerauge geschliffen war – das Große Kreuz des Südens!
Einer der ältesten und wertvollsten Orden, die von der Menschheit je vergeben
wurden.
“Wenn du willst, schenke ich es
dir”, sagte Opal plötzlich.
“Aber Masterteacher… das geht
doch nicht…” Hyazinth stotterte vor Schreck.
“Natürlich geht das. Weshalb hast
du so viel Ehrfurcht vor diesem Ding, das man heute Knirpsen an die
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