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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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ihm nichts, wäre das nicht eine Schmähung
des Ehrenmärtyrers Korund Stein, eine unverzeihliche Sünde also? Dunkel wurde
Hyazinth bewußt, daß Wahrheit eine sehr komplizierte Sache ist. Er schloß die
Augen und kreuzte die Arme über der Brust. Sofort lockerte sich Opals Griff,
als Hyazinth die Pose der tiefsten Meditation einnahm.
    Hyazinth legte den Kopf in den
Nacken und ließ einen Sturm von Gedanken losbrechen, die peitschend
aufeinanderprallten, sich ineinander verwickelten und Funken schlagend
auseinanderspritzten. Dann endlich fand er das Wort des Meisters Kong Qiu, mit
welchem er Opals Frage beantworten konnte: “Es schadet mir nicht, wenn mich die
Menschen nicht kennen. Aber es schadet mir sehr, wenn ich die Menschen nicht
kenne.”
    Erst lächelte Opal zustimmend,
dann aber zuckte er wie unter einem unsichtbaren Schlag zusammen und stieß
hervor: “Du sollst nur das lesen, was dir aufgetragen ist! Es stiftet
Verwirrung, wenn sich unreife Knaben wie du mit Dingen befassen, die ihre
Auffassungsgabe übersteigen!” Aber seine weitere Reaktion war verblüffend.
Statt Hyazinth grob von sich zu stoßen wie er es bisweilen tat, wenn der
Schüler sich von seiner Eitelkeit zu weit tragen ließ, umklammerte er wieder
mit festem Griff dessen Oberarm, und Hyazinth spürte dicht neben seinem Gesicht
den erregten Atem des Masterteachers.
    Dann hörte er die ruhige und
klare Stimme Opals, wie sie das zweite Generalgebot sprach. Diesmal klang es
nicht wie eine rituelle Beschwörung, sondern wie die Aufforderung, nach einem
tief in den Worten verborgenen, nur Wenigen erkennbaren Sinn zu forschen: Du
sollst alle Zweifel an der Lehre aus dir reißen, denn sie verwirren das Denken.
    Nein, eigentlich war es nicht so
sehr eine Forderung als eine Bestätigung –Hyazinth nahm es unklar wahr,
aber sein Ungestüm war stärker als die kalte Vernunft, und er rief gequält aus:
“Wie soll ich nicht zweifeln, wenn   der
Exarch selbst gegen die Lehren handelt” Nun endlich war es ausgesprochen, was
seit Stunden in ihm wühlte, bohrte, fraß. Fast im selben Augenblick erstarrte
er in dem Bewußtsein des begangenen Frevels und in Erwartung des derben Stoßes,
mit dem Opal auf diese Ungehörigkeit antworten mußte. Doch Opal blieb
beunruhigend kühl und fragte nur: “Womit hat der Erste   Exarch   gegen die Lehre verstoßen?”
    Mit einer Macht, die Hyazinth
selbst ängstigte, brach es aus ihm hervor: “Weshalb will der Exarch die
Zentralstadt in Weltenstein umbenennen, nachdem er aus dem wunderschönen
Goldaster schon unbedingt eine Währung machen mußte, die seinen Namen trägt und
deren Icon aussieht wie das Symbol über den öffentlichen Bedürfnisanstalten?”
fragte er zornig. Ob er nicht bedacht hätte, welche eine Kränkung das für alle
Mitglieder der Familie Blume bedeutete, die großen Anteil am Werden und
Gedeihen Villafleurs hätten, und er zitierte Kong Qiu: “Der Herrscher muß
maßhalten können und die Menschen lieben.” Gegen beide Forderungen habe Korund
verstoßen, sagte Hyazinth. Er blickte geradewegs in das funkelnde Schwarz der
Augen seines Lehrers, und er sah, wie sich dessen Miene verfinsterte.
    “Man beherrscht nur Dinge, welche
man beim Namen zu nennen weiß”, entgegnete Opal dumpf. Auch das war ein Satz
des Meisters. Aber bislang hatte Hyazinth diesen Worten nur wenig
Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie ihm wie eine Binsenweisheit klangen. Aus dem
Munde des Masterteachers hörte sich das plötzlich unheilverkündend und
überraschend feindselig an. Aber vielleicht war das auch nur eine
Sinnestäuschung. Wesentlich war, daß Opal die Herausforderung ohne Zögern
angenommen hatte und aus den Lun-yu zitierte. Für Hyazinth war dies die
erhabenste und geistvollste Art des Disputs.
    “Wer Altes bewahrt und zugleich
neues Wissen und neue Erfahrung zu gewinnen vermag, der kann den Menschen
Lehrer und Vorbild sein!” Zweites Kapitel, Vers elf, dachte Hyazinth flüchtig.
Er ist sehr stolz auf sein Gedächtnis, um das er von vielen Mitschülern
beneidet wird. “Warum nicht Villafleur bewahren?” fuhr er fort. “Warum muß nach
den Blumen auch noch die Erinnerung an sie sterben?” Und mit einer gewissen
Heftigkeit fügt er an: “Außerdem ist die Familie Blume immer noch die größte,
obwohl der Exarch für uns nur noch begrenzte Zeugungslizenzen genehmigt, ja,
auch in dieser Hinsicht werden wir benachteiligt! Manchmal verstehe ich nicht,
was im Kegelturm der Hohen Administration los ist, oder

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