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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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an der Kette ruckt, als wolle
er Federchen herabziehen. Die Fadenschaumspinne wird dieses Spiels nicht
überdrüssig, so lange es auch dauern mag. Sie flattert auf und ab, den
Atemkropf wie eine Seifenblase gebläht.
    Hyazinth zieht ärgerlich die
Oberlippe hoch, weil die Filterstopfen bereits so sehr angeschwollen sind, daß
die ersten Fasern aus den Nasenlöchern herauswachsen und auf der   Gesichtshaut einen Juckreiz verursachen. Nun
müßte er sich langsam beeilen, aber nicht nur Federchens wegen zieht es ihn
nicht in die Wohnblase.
    Morgen wird er dem Exarchen
gegenüberstehen. Schon den ganzen Tag kann er deswegen keinen klaren Gedanken
fassen, sogar das Erlebnis mit den Schrifttäfelchen des ihm unbekannten fremden
Meisters verblaßte rasch angesichts dieses kommenden Ereignisses.
    Einmal erst hat er dem
Ersten   Exarchen   gegenübergestanden. Damals war er fünf oder
sechs Jahre alt, und der schon vom Alter gebeugte Korund Stein war noch Erster
Kindschafter. Hyazinth gehörte zur Kindschaft Beta achtundvierzig des Clons
Blume. Früher einmal bedeutete die Bezeichnung Clon, daß es sich um genetisch
identische Individuen handelte, aber bereits zu Hyazinths Zeit hatte sich die
Bedeutung des Wortes etwas gewandelt und wurde noch später durch die Benennung
“Familie” ersetzt. Nur wer zeigen will, daß er gut gelernt hat, gebraucht hin
und wieder die alten Begriffe.
    Die Clons entstanden, als einige
wenige Besonnene erkannten, daß die willkürlichen Manipulationen am Erbgut die
Menschheit in den sicheren Untergang führen würden. Erst galten sie als
Außenseiter, wurden verspottet, aber geduldet. Man nannte sie überall “die
Häßlichen”, weil sie sich weigerten, kosmetische Veränderungen an ihrem Genom
vornehmen zu lassen, und heute vermag niemand mehr genau zu sagen, ob es die
gesellschaftliche Stellung dieser Menschen war, die ihnen den Verzicht
erleichterte, oder ob ihnen die durch den Verzicht freigesetzte geistige
Energie erst ermöglichte, sich in auffälligen Positionen zu etablieren. In
jedem Falle waren sie eine verschwindend geringe Minderheit, und wie von selbst
fanden sie sich zusammen, organisierten sich, konzentrierten sich im Bereich
der Zentralstadt, die seinerzeit noch Galaktopol hieß und die Brücke zwischen
Erde und Kosmos war. Vermutlich war es nicht schwer für die Häßlichen,
innerhalb kurzer Zeit in führende Positionen aufzusteigen, denn Rang und Würden
galten damals wenig, wichtiger war Silberglanz in den Augen, oder
Schlängelwelle, eine Frisur, die sich selbst unentwegt umgestaltete ,als seien
die Einzelhaare dünne Schlangen, die ständig in Bewegung sind.
    Der wichtigste taktische
Schachzug der Häßlichen war die Übernahme der Geburtenkontrolle. Auch dieser
wichtige Sektor des gesellschaftlichen Lebens fiel ihnen praktisch
widerstandslos in die Hände, denn die Sorge um den Nachwuchs war längst Aufgabe
der Gesellschaft, jenes anonymen Gebildes, das mit unsichtbarem Arm die Ordnung
aufrechterhielt.
    Zuerst schufen sie Clons, indem
sie aus ihren eigenen Keimzellen tausende Nachkommen zeugten, die aber immer
noch in den alten Einrichtungen aufwuchsen und erzogen wurden. Der Erfolg war
unbedeutend, denn die meisten ihrer Nachkommen ließen sich durch genetische
Eingriffe dem aktuellen Schönheitsideal anpassen. Also mußten spezielle
Erziehungsanstalten geschaffen werden. Das aber war nicht leicht, erforderte
eine strenge Hierarchie, und aus diesem Vorhaben schließlich wuchs die Idee von
der Großen Umkehr. Wenn man ein Ziel erreichen will, muß man planvoll vorgehen,
man braucht ein Instrument, um die neuen Vorhaben durchsetzen zu können. Es war
die Wiedergeburt des Staates. Später lockerte man die strengen Regeln der
Nachwuchszeugung und ging aus biologischen Gründen wieder zur Befruchtung über.
Allerdings wurden immer nur ganz bestimmte, zueinander passende Keimzellen
verschmolzen, die in Depots gelagert wurden. Jedes Depot unterliegt strengster
genetischer Hygiene. So kann es niemals geschehen, daß Samenzellen aus dem
Depot der Familie Stein mit Eizellen der Familie Blume in Berührung kommen.
Während der Rest der Welt dem Verfall überlassen blieb, wuchs und blühte
Galaktopol, wurde zum Zentrum einer neuen Lebensweise. Zu ersten Zwischenfällen
kam es, als die Exarchie den Einwandererstrom mit drastischen Maßnahmen
stoppte. Was genau geschah, weiß selbst Opal nicht, die Quellen geben nur
spärliche, zusammenhanglose Auskünfte. Aber irgendwie entstand

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