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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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der
Kabinentropfen steht bewegungslos, nicht einmal seine Luftregeneratoren
arbeiten, wie Hyazinth an der sich rasch ausbreitenden stickigen Wärme merkt.
Seufzend schält er ich wieder aus der stromlinienförmigen Haut, nachdem er sich
die arg zerzausten Filterstopfen in die Nase geschoben hat, und tritt durch die
Einstiegsöffnung ins Freie.
    Auch die Labyrinthbahn fährt
nicht, wenn die Programme laufen, wie konnte er das vergessen. Er schüttelt
ärgerlich den Kopf, dann zieht er ihn furchtsam zwischen die Schultern, denn
die Dunkelheit umfängt ihn wie eine stille Drohung, und auch der Gedanke an die
vielen Milliarden Schopenhauerwelten, die nun zum Leben erwachen, kann die
allabendliche Furcht vor der Dunkelheit nicht vertreiben – immer wieder ist es
auch eine Ahnung vom Tode des Menschen, wenn der Tag in die Nacht
hinüberstirbt. Dichte Wolkenbänke schieben sich über Villafleur zusammen und
ersticken das spärliche Sternenlicht.
    Ein einziges helles Pünktchen
leuchtet in der Ferne, dort wo der Kegelturm der Hohen Exarchie steht, als
wache er furchtlos über den Schlaf der Zentralstadt. Man sagt, das Licht im Arbeitszimmer
des Ersten   Exarchen brenne jede Nacht
bis zum Morgendämmern. Jede Nacht, zum Wohle der gesamten Menschheit…

 
    We are such stuff
    As dreams ar made of,
    and our little life
    Is rounded with a sleep.
        William Shakespeare
    _______________________________________________________

 
    Kapitel 7
    Das
Schwert Thar

 
    Wie Dampf faucht es aus Gadars
Nüstern, wenn das Dreihorn schnaubend die Luft ausstößt. Tief sinken die Hufe
ein, fast schon berührt der Bauch des Reittiers den Schnee.
    Eine Weile hat Derek mit dem
Gedanken gespielt, abzusitzen – Gadar muß schwer tragen an dem kapitalen
Rosenhornhirsch, den er selbst mit Eiriks Hilfe nur unter äußerster Anstrengung
vom Boden heben konnte.
    Es ist die Erde, aus der alles
Lebendige gemacht ist, was sie bevölkert – so hat Eirik gesagt. Die Erde zieht
hinab, was keinen Atem mehr hat. Aber ein wenig mag es wohl auch daran liegen,
daß Derek sich nicht mehr die Zeit nahm, das Tier auszuweiden. Kaum konnte er
noch den Bogen halten, so müde und zerschlagen fühlte er sich, aber Eirik
bestand darauf, daß der Großherr von Seemark den ersten Schuß wagen sollte, und
es war gut, daß Eiriks Pfeil nur einen Lidschlag später von der Sehne
schnellte, denn Derek hatte nur den Hals des Tieres getroffen. Nein, an
Ausweiden war nicht mehr zu denken, und neben Gadar durch den Schnee zu stapfen
– nun, das war eben nur ein flüchtiger Gedanke.
    Derek hält die Augen geschlossen
und schwebt in jener seltsamen Sphäre zwischen Wachen und Schlafen, in der sich
die Ereignisse der Wirklichkeit mit denen der Träume zu unglaublichen
Eindrücken mischen.
    Ihm ist, als säße er auf dem
Rücken eines gewaltigen Hirsches. Mit beiden Händen hält er sich am Geweih,
dessen Enden zu blättrig-festen Hornblüten aufbrechen, zwölf Stück an der Zahl.
Derb und keulenförmig die unteren, wie zarte Rosenknospen die an den obersten
Spitzen. Aber mit jedem Atemzug schießt ein armdicker Blutstrahl aus dem weit
aufgerissenen Maul des Tiers... Derek reißt entsetzt die Augen auf. Einen
Moment wankt er wie trunken, dann passen sich seine Sinne dem Schaukeln von
Gadars kräftigem Leib an, und sein Blick schärft sich. Immer noch tropft es
dunkelrot aus der Wunde in der Flanke des Rosenhornhirsches und sickert warm in
Dereks Beinkleid. Er schüttelt sich.
    Derek ist ein guter Jäger, kennt seine
Wälder wie kaum ein anderer, verfehlt nur selten sein Ziel und weiß genau zu
unterscheiden zwischen einem kapitalen Platzhirsch, der ihm einen gesunden
Bestand beschert, und einem überalterten Einzelgänger, dessen Zeit abgelaufen
ist – aber viel lieber fängt er mit Netz und Schleuderschlinge, um Tiere aus
einem zu dicht bevölkerten Wald in ein überjagtes Gebiet bringen zu lassen, als
mit Pfeil und Bogen stolze Rosenhornhirsche oder anmutige Goldfleckricken aus
dem Hinterhalt zu erlegen. Nur den Keilerspieß gebraucht er ohne Skrupel, denn
der Kampf mit einem mächtigen Säbelzahneber ist eines Mannes würdig und endet
für den Feigling mit dem sicheren Tod. Vielleicht bereitet ihm aus diesem Grund
das Töten im Krieg weniger Unbehagen, als die Jagd auf scheues, friedfertiges
Getier. Obwohl er sich schon oft den Kopf darüber zermarterte, warum
Menschenblut leichter zu vergießen ist, und obwohl da immer etwas wie eine
strenge Mahnung durch sein

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