Copyworld: Roman (German Edition)
und Vater – es soll dir
Freund und Sohn sein, so wahr Ealtheas Pendel die Zeit zählt!”
In ihren Augen ist ein Glanz, der
Derek zutiefst erschreckt. Er will zurückweichen, das Ei fallenlassen, aber ihr
Blick fesselt seinen Willen, schlägt ihn in einen übermächtigen Bann. Der Blick
zwingt seine Arme nach oben, preßt das schwarze Ei des Bergholls gegen seine
nackte Brust. Derek fühlt ein stürmisches Pochen und Vibrieren, dann scheint es
ihm, als rolle sich ein weiches, warmes Bündel in seinen Armen zusammen, und
beinahe meint er, ein zufriedenes, glückliches Zirpen zu vernehmen.
Aja läßt sich seufzend
zurücksinken in ihren Sessel. Immer noch brennen ihre Augen in einer Glut, die
Dereks Willen zu Asche zerstäubt. Dann endlich schließt sie die Augen und
murmelt: “Es will dich. Es wird das treueste Wesen sein, das jemals auf dieser
Welt geboren wurde…” Dann blickt sie zu
ihm auf, und es ist beinahe so etwas wie Furcht in ihren Augen.
“Noch nie hat ein Holl sein
Junges einem Menschen gegeben. Ealtheas Pendel sollte stehen bleiben, solch ein
Wunder ist geschehen…”
Auf einmal geht etwas
eigenartiges mit Derek vor sich: Sein Blick trübt sich, alle Farbe scheint aus
der Welt zu weichen, und die Gegenstände in Ajas Zimmer werden seltsam
durchscheinend, gläsern beinahe, und doch wirken sie eher wie Schatten, als daß
sie gefrorenen Nebeln ähneln.
Derek ist wie zu Stein erstarrt,
aber nicht Angst und Entsetzen haben ihn versteinert, sondern der Wille einer
Macht, die weitaus mehr sein muß als der Geist eines Menschen. Es ist keine
Drohung in dieser Gewalt, die plötzlich alle Bewegung der Welt anhält, dafür
etwas wie Unvermeidbarkeit, wie etwa die des Todes…
Nur Dereks Verstand beugt sich
nicht unter den Befehl dieser hohen Macht. Klar und besonnen prüft er die
gespenstische Situation und stellt fest: Aja hat recht, es ist ein Wunder
geschehen. Denn Ealtheas Pendel ist stehengeblieben wie zum Beweis…
Aja sitzt tief in ihrem Sessel,
wie eine Skulptur aus Eis und Schnee wirkt sie, nichts Lebendiges ist in den
stumpfen Augen, mit der Zeit ist auch ihr Leben stehengeblieben.
Copyworld time control…Copyworld time control…Copyworld time control…
Das unverständliche, sinnlose
Wort tropft unentwegt in Dereks Bewußtsein, als sei sein Schädel ein Pokal, wie
er immer unter den Zapfhähnen seiner Weinfässer steht.
Copyworld time control…Copyworld time control…Copyworld time control…
Mit jedem dieser Klänge dringt
ein fremdes Ich in seinen Körper, Tropfen für Tropfen. Allmählich begreift
Derek. Je mehr in ihm der Schöpfer Proteus aufersteht, desto klarer wird ihm
die Bedeutung des Geschehens, desto schneller entwirren sich ihm Ursache und
Wirkung.
Copyworld time control…Copyworld time control…Copyworld time control…
Es ist also wieder so weit, denkt
Proteus, der eben noch Derek war. Ich könnte jetzt Programmkorrekturen befehlen,
aber es gibt dazu keinerlei Veranlassung, das Basisdogma schafft interessante
Konstellationen, die Trägermatrix Hyazinth Blume ist für mich wie geschaffen –
oh, warum konnte ich nicht in der Realität so sein wie diese verzogene
Rotznase... Alles kann so bleiben, um die Details soll Res Cogitans sich
kümmern.
Alphanullomega! befiehlt Proteus knapp. Keine Korrekturen.
Dann verwandelt er sich wieder vorsichtig in Derek zurück, wird blasser,
schemenhaft, ist schließlich nur noch die Ahnung eines verwirrenden
Intermezzos.
Derek wundert sich noch wenige
Sekunden lang über die seltsamen Worte und Gedanken, die in seinem Innersten
erklangen, aber selbst dieses Staunen versinkt gleich darauf in den unendlichen
Tiefen des Vergessens, ohne auch nur die geringste Spur in seinem Leben zu
hinterlassen.
Ealtheas Pendel ist stehen
geblieben! denkt er mit Schaudern. Aja
hat recht: Es ist ein Wunder geschehen…
Dann ist alles vorbei, Farbe und
Leben kehren in die Welt zurück, und er hört Ajas Stimme, brüchig und voller Ergriffenheit:
“…es soll die Morgendämmerung ewigen Friedens sein, wenn Bergholl und Mensch
einander Freund und Bruder werden. Der Herr der Zeit wird herabsteigen und
unter uns wandeln als Mensch von Fleisch und Blut, und Ealthea wird den Thron
von Seemark mit einem strahlenden Licht segnen, das aus der Tiefe der Erde
dringt und Böses in Gutes verwandelt, sobald sein Schein es erreicht…”
Dereks Gedanken aber gehen ganz
andere Wege, nähern sich zwar demselben Ziel, doch aus
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