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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Daß sie Oberster
Gesundheitswächter geworden ist, hat er schon vor einiger Zeit gehört. Holunder
hatte damals gespottet, da müsse wohl jemand den vorletzten Buchstaben ihres
Familiennamens falsch gelesen haben.
    Unwillkürlich hat er wohl
erwartet, einer alten Frau zu begegnen. Vor acht Jahren war er ja noch ein Kind
und sie längst erwachsen.
    Ihre mandelförmigen Augen
strahlen immer noch in diesem merkwürdigen Licht, das von einer milden Glut,
tief verborgen im Braun der Iris, ausgestrahlt wird, und die zarte Wulst
zwischen Augenbraue und Lid ist immer noch wie Samt und ohne kosmetischen
Farbauftrag, den der dunkle Teint ohnehin nicht benötigt. Ihr dickes
blauschwarzes Haar ist bis auf Fingerlänge zurückgeschnitten, aber das gefällt
ihm beinahe noch besser als die ebenholzfarbenen Wellen, die vor acht Jahren
bis über ihre Brüste flossen. Die winzigen Zöpfchen, die ihr zu hunderten vom
Kopf abstehen, geben dem fast dreieckigen Gesicht einen besseren Rahmen, in dem
sich die dünnen Striche der Brauen in sanftem Schwung in die Stirn heben, deren
makellose Rundung an den Schläfen in winzigen Löckchen endet.
    Als er ihren Mund betrachtet,
wird ihm auf einmal bewußt, daß er dem Rutilas sehr ähnelt. Nur ist er etwas breiter,
eher herzförmig als oval. Doch die Lippen glänzen ebenso. Vielleicht wirkt er
auch nur etwas breiter, weil Sirrahs Wangen viel schmaler sind: Von den
Jochbeinen an laufen die Konturen ihres Gesichtes zu einem feinen, eher schon
spitzen Kinn zusammen, das aber genau in jenem Bogen die untere Gesichtshälfte
beschließt, der einzig und allein den Eindruck zarter Ausgewogenheit
hervorruft.
    “Was ist, Zintchen? Was schaust
du mich so an?” Ihre dunkle Stimme klingt fast wie damals, als sie von Baal und
Anat erzählte. Ihre schmalen Finger streicheln durch sein Haar und bevor
Hyazinth etwas sagen kann, flüstert sie: “Du bist nun wirklich ein Mann.
Erinnerst du dich noch…?”
    Und wie er sich erinnert.
Plötzlich ist ihm als sei alles erst gestern geschehen. Er schlingt seine Arme
um sie und preßt sie an sich.
    Sirrah Stern befreit sich
behutsam aus seiner Umklammerung.
    “Jetzt bist du ein Mann, aber du
handelst immer noch wie ein Kind.”
    Hyazinth läßt sich enttäuscht
zurücksinken. Für einen Moment hat er geglaubt, das Feuer in ihrem Blick sei
Begierde, aber es war wohl nur der Widerschein fernen Abendrots, mit dem die
Vergangenheit in den Tiefen der Erinnerung versinkt wie die untergehende Sonne
im Schoß der Erde.
    “Du hättest Rutila Stein nicht in
die Angelegenheit verwickeln sollen”, sagt sie, und als er diesen Namen hört,
geht eine Veränderung in ihm vor. Fast schämt er sich beim Gedanken daran, daß
nur kurze Zeit nach seiner ersten wirklichen Liebesnacht die Nähe einer anderen
Frau Begehren in ihm schwellen und steinern aus seiner Leibesmitte treten ließ.
    “Wie konntest du das nur tun?”
Sirrah schüttelt mißbilligend den Kopf. Dachte Hyazinth zuerst, sie hätte seine
stürmische Umarmung gemeint, dämmert ihm nun allmählich, daß sie von etwas ganz
anderem spricht.
    “Sei froh, daß ich heute die
Nachtwache übernommen habe! Das ist blanker Zufall. Albali wollte gern zum
Kristallkonzert gehen, und ich war vorgestern gerade in der Malachithalle. Das
Rosenquarzett muß man gehört haben… Wie konnte ich Albali die Bitte da
abschlagen.”
    Sie seufzt und schaut träumerisch
ins Leere, ihre Schultern bewegen sich kaum sichtbar im Takt einer lautlosen,
nur von ihr gehörten Musik. Damals schon liebte Sirrah die Musik, und oft hatte
sie von alten Instrumenten erzählt, die aus hunderten von Röhren bestanden,
oder auch nur aus einer einzigen, durchlöcherten. Von seltsamen Gebilden aus
Holz – vor tausend Jahren sollen die Bäume angeblich so zahlreich wie
Sandkörner am Meeresstrand gewesen sein – und Metalldrähten. Sogar die
Innereien von Tieren sollen zur Herstellung von Musikinstrumenten verwendet
worden sein, und auch deren Haare, Zähne und Knochen. Welch barbarische Musik
muß das gewesen sein, die nur durch Mord und Schändung der getöteten Lebewesen
möglich war!
    Auch Hyazinth hat zwei Karten für
das Konzert des Rosenquarzetts ergattern können. Für übermorgen. Und
ursprünglich wollte er Jade damit überraschen, aber das Mädchen mit dem unstet
umherhuschenden Blick ist plötzlich so weit weg, und ganz nah ist Rutila Stein.
Mit Rutila wird es ganz gewiß mehr Spaß machen, dessen ist er sicher. Sie wird
den Kaskaden sprühender

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