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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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wirklich so mächtig sind, daß
der Mensch sich ihnen willig unterordnen muß – oder ob sie die Menschen, diese
Wesen aus Wind und Erde, aus Sternen und Eis, nicht insgeheim fürchten und
deshalb so eifersüchtig über ihre Zauber wachen, sie als göttliche Kraft
ausgeben. Wo diese Zauber doch in Wahrheit die Funken des Feuers sind, auf dem
der eherne Bogen der Zeit geschmiedet wurde, und niemandes Eigentum. Denn hörte
man je, daß einer Anspruch erhob auf Funken eines Feuers, auch wenn dieses
loderte in seinem Haus? Ja, man kann den Göttern diese Kraft entreißen, in den
Dienst des Menschen zwingen. Und was sind sie denn dann noch - ohne
Zauberkraft?
    “Derek! In deinen Adern fließt
das Blut der Urmutter, vergiß das niemals!”
    Aja hat sich ächzend zu ihm
gedreht, und ihr ausgemergelter Zeigefinger zittert vor Dereks Gesicht. Der
senkt beschämt den Blick. Sie kennt jeden einzelnen meiner Gedanken, denkt er,
dann weiß sie auch, welche Unruhe diese Ungebärdigkeit und der Trotz über mich
brachten, mit denen die Tharprinzessin in mein Leben gekommen ist, und wie es
mich danach gelüstet, sie in die weichen Felle meiner Kemenate zu stoßen, sie
die Demut zu lehren, die ihr bestimmt ist, da sie doch letztlich nur ein Weib ist  
    Ajas Kichern reißt ihn aus diesen
düsteren Gedanken.
    “Es brennt, Derek, nicht wahr?
Wie Feuer brennt es”, flüstert sie kaum hörbar, “wo es bisher immer nur
liebliche Wärme war, die dir als höchstes Glück der Erde erschien. Aber es
brennt jetzt mit sengender Glut in dir, und alles wird ein Raub der Flammen,
was dir den Rahmen gab für diese Welt…” Bevor Derek eine Antwort auf diese
dunklen und beängstigend deutlichen Worte findet, ist Aja schon zur Tafel
geschlurft und blickt Damma scharf an.
    “Kühn bist du, Tochter des
Krieges, und klug. Sehr klug! Deine Weisheit ist die des Feuertigers, der
gelernt hat, die Käfigtür zu öffnen, und der nun jede Nacht durch das Dunkel
schweift, des morgens jedoch zurückkehrt in sein Gefängnis, das seine Heimat
ist, weil er in ihm geboren wurde…”
    Derek spürt einen zunehmenden
Druck im Kopf.
    Was redet Aja da! denkt er
bestürzt. Wie kann sie es wagen, meine Gäste zu beleidigen!
    Aber anstelle zornigen Loderns
ist in Dammas roten Augen nur ein mattes Glimmen, und sie neigt gehorsam den
Kopf, was Derek sehr erstaunt.
    “Du kommst nach Seemark, weil du
die Zauber unserer Götter brauchst – wie kannst du sie da verspotten?”
    “Ich brauche Zauberkraft, das ist
die Wahrheit”, entgegnet Damma, “und wenn sie Menschenhand nicht geben will, so
nehme ich mit Dank auch von den Göttern, was meinem Volke fehlt.”
    Sie hat es ohne Hochmut gesagt,
und Derek weiß nun endlich, was die beiden Thar bewog, sich auf die
beschwerliche Reise nach Seemark zu begeben.
    In seinen Armen regt sich das
Holljunge, und Derek hört nicht, was Aja antwortet, weil das flauschige Bündel
schmatzend und zirpend nach Nahrung sucht und seine ganze Aufmerksamkeit
beansprucht. Unbeholfen stopft er Atta ein paar Fleischbrocken in den
weitaufgerissenen Rachen. Nach einigem verdrießlichem Schnaufen nimmt das junge
Hollweibchen die Nahrung an.
    Erst als Atta sich satt und
zufrieden wieder zusammenrollt, blickt Derek auf. Die Tafelrunde hat das
seltsame Schauspiel in tiefem Schweigen beobachtet. Immer noch steht schlecht
verhohlene Ablehnung in den meisten Gesichtern, aber der Duft des knusprigen
Bratens und das weiche Glucksen in den Weinkrügen verdrängen die feindselige
Stimmung. Aus verhaltenem Tuscheln wird bald wieder fröhliches Geschnatter, und
nur hin und wieder streift ein mißtrauischer, furchtsamer   Blick das hellgraue Federknäuel auf Dereks
Schoß.
    Lange dauert es nicht, dann
streichelt der erste Tafelgast mit angehaltenem Atem das zirpende Bündel. Und
obgleich er augenblicklich zurückfährt, als Atta sich wohlig räkelt, verkündet
er doch stolz, daß es völlig ungefährlich sei, den jungen Holl zu berühren.
    In Ajas faltiges Gesicht ist
längst erloschen geglaubtes Leben zurückgekehrt. Sie unterhält sich angeregt
mit Damma, und auf der ledrigen Haut ihrer zerfurchten Wangen liegt eine leichte
Röte. Andorgas hingegen zollt dem Faß aus dem Kreuzgewölbe endlich Tribut, sein
massiger Schädel liegt auf der mit reicher Schnitzerei verzierten Stuhllehne,
und aus dem geöffneten Mund dringt ein Gemisch aus Lauten, die wohl auf dem
Schlachtfeld weniger Erstaunen hervorrufen würden als an einer fürstlichen
Tafel.
    Derek

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