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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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sich, aber es bleibt ein Rest von
Unwillen, für den er keine Erklärung findet, eine diffuse Ahnung von Gefahr.
    In diesem Moment erwacht Andorgas
aus seinem Rausch und grunzt schlaftrunken: “Dein Volk hat aber viele
Füße, die es gelüstet, mit dem Kopf zu speisen, lieber Derek. Für diese vier
ist sicher auch noch Platz an deiner Tafel… Sie vertragen doch einen guten
Humpen?” wendet er sich mit den letzten Worten an die Bauern. Garrelf und Haffe
wagen nicht zu antworten.
    Derek lacht nur kurz auf. Hat der
rotbärtige Thar nicht den besten Ausweg aus der unangenehmen Situation
gewiesen? Mit einer kurzen Bewegung befiehlt er den beiden Bauern, sich ans
Ende der Tafel zu setzen. Daß Damma verblüfft den Kopf schüttelt, wundert ihn
nicht, aber Ajas ernster Blick sagt ihm, daß er wohl doch zu weit gegangen ist.
Mit dem Gesinde zu tafeln, ist uralter Brauch in Seemark – doch nie zuvor haben
Bauern mit ihren Lumpen den Glanz einer Festtafel befleckt!
    Garrelf und Haffe drängen sich
schüchtern zwischen die Diener, die auf einer Bank am Tafelende sitzen.
    Damma hat die Szene stirnrunzelnd
verfolgt und fragt Derek: “Wofür habt Ihr die Bauern strafen wollen, Derek?”
Mit wenigen Worten schildert er den Vorfall.
    “Sind sie frei?” verlangt die
Prinzessin schnell zu wissen.
    Derek überlegt. Diese Frage hat
er sich selbst oft genug vorgelegt: Regiert er ein Volk von freien Menschen,
oder ist er kaum besser als der finsterste Tyrann, der je seine Untertanen ins
Joch der Hörigkeit zwang? Kann man überhaupt frei sein, wenn andere die
Geschicke des Reiches verantworten und man nur den schmalen Pfad
entlangtrampeln darf, der durch die Wildnis von Regeln und Gesetzen führt?
    “Sie schulden mir den Zins und
die Heerfolge”, antwortet Derek nachdenklich, “sie ackern auf meinem Boden,
jagen in meinem Wald, unterstehen meinem Gericht – sie sind so frei wie man es
in Seemark nur sein kann…”.
    Nein, das stimmt nicht ganz,
denkt er unruhig. Sie sind nicht so frei wie Eirik etwa, der mir nichts
schuldet als den Grundzins für den Boden, auf dem seine Schmiede steht, zwölf
lächerliche Curdiner im Jahr. Platz für einen Schmiedeofen ist überall und der
Preis dafür erschwinglich – der Bauer aber ist Gefangener der Scholle, und nur
mein guter Wille beläßt ihm den Stolz auf seiner Arme Kraft, die den Hunger
auch nicht stillen könnte ohne meinen Boden.
    “Euer ist der Boden also?”
vergewissert sich Damma gespannt. Da mengt sich Aja in das Gespräch. “Ealthea
hat dieses Land gemacht aus dem Willen des Herrn der Zeit, ihr Eigentum ist das
Reich von Seemark.” Fast klang es wie eine Zurechtweisung, aber Derek weiß sehr
gut, daß sie nicht Damma galt. Ärger regt sich in ihm, wie jedesmal, wenn Aja
ihn mahnt, sich nicht über das göttliche Gebot hinwegzusetzen, sondern ihm in
Demut und mit Eifer zu dienen. Immer wieder steht Ealtheas Wort vor ihm wie
eine unüberwindbare Mauer, wenn er verändern und bewegen will. Es sei der
Besitz der Urmutter, hieß es, als er den Gedanken äußerte, wenigstens seinen
treuesten Dienern Ländereien zu übereignen, als Ansporn für noch mehr Mühe und
Sorgfalt. Als wäre Ealthea nicht weise genug, um die vielen Vorteile zu sehen,
die eine Verteilung des Ackerbodens brächte! Aber sie liebt die Veränderung
nicht – ist es Eitelkeit, die Angst um die Vollkommenheit der eigenen
Schöpfung, was die Urmutter so eifersüchtig über die Unantastbarkeit ihres
Reiches wachen läßt?
    Vielleicht ist es die Furcht vor
der Kraft des Menschen, der etwas schaffen könnte, was noch großartiger ist als
das Götterwerk. War das der Inhalt der kühnen Worte, die Damma dem Ealthealied
hinzufügte?
    Oh, wenn er doch mit Andel über
solche Dinge reden könnte – aber die Geliebte legt ihm jedesmal ängstlich die
Hand auf den Mund, wenn er die ihn quälenden Zweifel anspricht…
    “Ja, es ist Ealtheas Boden, wie
auch meine Seele der Urmutter gehört. Aber er ist in meine Hand gegeben, ebenso
wie mir mein Leben Eigentum ist, trotz der höheren Rechte des Schicksals!”
    Derek ist wütend aufgesprungen.
    “So wie Luft und Wasser Ealtheas
Besitz”, fügt Damma hinzu. Sie legt ihre Hand auf Dereks Arm und zieht ihn
sanft in seinen Sessel hinab. Die Berührung durchrieselt ihn wie der Wein aus
dem Kreuzgewölbe, “und nur ihr Besitz sind. Und doch: Wie wollte sie hindern,
daß ihre Kinder sich nehmen, was sie brauchen – will eure Ealthea den Menschen
das Atmen und den Durst

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