Copyworld: Roman (German Edition)
beobachtet aufmerksam den
Wechsel des Mienenspiels in Dammas schmalem Gesicht. Aja gegenüber verhält sie
sich ganz anders als im Gespräch mit ihm. Da ist nichts von der Schroffheit,
mit der sie ihm widersprach, nichts von der Verschlossenheit, in die sie sich
wie in einen Panzer hüllte.
Immer wieder zucken ihre bis über
die Schläfen geschwungenen Augenbrauen, wenn Aja von Roriks Untaten spricht,
aber sie unterbricht die Muhme nicht, beherrscht sich, wenn auch mit Mühe, wie
es Derek scheinen will. Ihre Gesten sind knapp und verhalten, und in ihrer
klirrenden Stimme ist auf einmal ein sanftes Schwingen, das deren Klang viel
reifer und erwachsener wirken läßt als noch vor wenigen Augenblicken. Für die
Zeit eines Lidschlages steht vor ihm ein ungehöriges Bild: Er sieht die
hauchzarte Kristallkrone, die seine Mutter einst trug, auf dem pelzigen
Geflecht der roten Haare dieser Tharprinzessin. Aber mit einer ärgerlichen
Geste wischt er die Vision aus seinen Gedanken. Die Krone ist Andel
versprochen, und nichts kann diesen Entschluß vergessen machen!
Doch trotzdem wallt wieder diese
sengende Hitze in ihm auf, als er auf Dammas volle Lippen starrt, und erneut
muß er an die weichen Felle seines Lagers denken. Leise rinnt ihm ein
erregendes Prickeln durch den Leib, als er dem Gedanken gestattet, noch ein
Weilchen durch seine Sehnsüchte zu schweben. Das wäre nicht ein stilles
Miteinander, ein gemeinsamer Weg zum Gipfel in zärtlicher Umschlingung! Bei Damma
wäre es wie der Kampf mit einem Feuertiger, dessen ist er sich gewiß, und die
Vorstellung erregt ihn so unerwartet heftig, daß er die Zähne aufeinander
beißen muß, um nicht laut aufzustöhnen.
Würde da nicht das dumpfe Dröhnen der Tungula
die Palastmauern erbeben lassen, Derek wäre wohl aufgesprungen und
hinausgelaufen vor Scham und Verzweiflung. Aber der schwere Klang der
schneckenförmig gewundenen Bronzeröhre treibt die Glut aus seinem Geschlecht,
und er schwört sich betroffen, Andel nie zu verlassen, was da auch kommen möge.
Der Turmwart bläst ein
schwieriges Signal aus mehreren kurzen und langen Stößen, auf- und abschwellend
wie das Heulen eisiger Winterstürme. Zwei Bauern nähern sich dem Palast,
vekündet die Tungula. Ehe Derek begreift, springt Gunder mit einem gehässigen
Lachen auf und ruft dem Koch zu, er solle den großen Kupferkessel für die
Mondpilze holen.
“Ach ja, Garrelf und Haffe”,
murmelt Derek finster. Die beiden Bauern müssen den Schnee durchpflügt haben
wie wütende Säbelzahneber, wenn sie jetzt schon fertig sind, denkt er. Oder
sollte es schon so spät sein?
Wenig später stolpern zwei
dickvermummte Gestalten in den Thronsaal und setzen schnaufend ihre Kiepen ab.
Dampfend weicht der Frost aus ihren Kleidern, als sie müde zur Tafel wanken. Derek
sieht, daß Haffe sich Leinenbinden um die Hände gewickelt hat, die stellenweise
rot durchtränkt sind.
Bei Ealtheas Pendel! denkt er
bestürzt. War die Strafe doch zu hart? Aber wie konnten sie es nur so schnell
schaffen, zwei Kiepen mit den seltenen Pilzen zu füllen?
Garrelf und Haffe beugen die
Knie, und Garrelf sagt: “Die Buße ist getan, Großherr Derek! Mehr noch: Nur die
zartesten Pilze haben wir genommen, nicht größer als eine Kinderfaust, sattgelb
sind sie und alle noch mit fest eingerollten Hüten. Und nun vergib uns unseren
Frevel!”
Derek merkt auf. Da war etwas im
Ton des Bauern, ein Trotz, ein Fordern – was sollte das? Haffe starrt müde auf
den Malachitboden des Thronsaals, aber Garrelf hat stolz den Kopf gehoben und
das Kinn vorgereckt.
“Euch ist vergeben”, antwortet
Derek gleichgültig. Kaum haben sich die Bauern jedoch erhoben und wollen sich
unter Verbeugungen entfernen, ruft er schnell: “Wie habt ihr es nur gemacht?
Zwei Kiepen – es sollte eine Strafe sein, im Wald danach zu suchen! Doch ihr habt
wohl den Acker bestellt mit solchen Köstlichkeiten?”
Haffe wechselt einen schnellen
Blick mit Garrelf. Der gibt sich einen Ruck und sagt: “Das ganze Dorf hat uns
geholfen, Großherr. Eirik hat uns zur Eile angetrieben und gemahnt, der
Großherr habe Gäste und solle sich nicht schämen müssen seines Volkes!”
Die letzten Worte hat der Bauer
in wildem Zorn hervorgestoßen und dabei auf Gunder gestiert, der ängstlich
einige Schritte zurückwich.
“Das ganze Dorf also…” knurrt
Derek mißbilligend “… und Eirik hat euch angetrieben…”
Sollte ich mich nicht freuen, daß
mein Volk so zueinander steht? fragt er
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