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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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ihr hinübergegangen war und gefragt hatte, ob man nicht wenigstens ein bisschen ficken könne. Fortan blieb er lieber in seiner Wohnung.
    Hier saß er also unrasiert in der schwarzen langen Flottenunterhose und seiner Telnjaschka, erging sich wieder einmal in Selbstmitleid, weil er als einer der besten U-Boot-Kapitäne Russlands vollkommen zu Unrecht verfolgt wurde, und roch vermutlich nach allem, nur nicht der frischen Meeresbrise, als unten der schwarze Dienstwagen hielt.
    Er hatte den Motor gehört und war zum Fenster gegangen, um hinunterzuschauen. Vor Haus 7 in Straße 16 blieben selten Autos stehen. Als er den adretten jungen Fregattenkapitän aus dem Auto steigen sah, kam ihm als Erstes – wie so oft in verzweifelten Lagen – ein absurder Gedanke. Warum hat denn der einen weißen Bezug an der Mütze, fragte er sich und gab sich gleich selbst die Antwort: Ach, wir haben ja schon Mai. Erst dann wurde ihm klar, was sein Instinkt ihm sofort hätte sagen müssen: Scheiße, jetzt ist es aus mit mir.
    Natürlich konnte sich das Leben eines Menschen mit einem Schlag verändern. In der russischen Sprache gab es unzählige Redewendungen, die diese Hoffnung zum Ausdruck brachten. Nach Regen kommt Sonnenschein; wenn die Not am größten ist, ist die Rettung am nächsten – und all so etwas. Aber nun passierte es wirklich.
    Es war wie ein Wunder, als der angesichts der äußeren Umstände erstaunlich höfliche junge Fregattenkapitän Owjetschin in Petrows Schweinestall saß und stammelnd sein Anliegen an den Genossen Kapitän zur See vorbrachte.
    Unter der Dusche war er immer noch glücklich, aber beim Rasieren kam ihm der Gedanke, es braue sich etwas über ihm zusammen, das er aus alten Zeiten kannte. Vielleicht sollte er hübsch hergerichtet und in seine Uniform gesteckt werden, damit man ihn standesgemäß hinrichten konnte.
    Als er sechs Stunden später in Seweromorsk verkatert und mit rot unterlaufenen Augen den lettischen Vizeadmiral traf – im ersten Moment hielt er Carl für einen Letten aus der ehemaligen sowjetischen Flotte –, hatte er nicht viele Fragen, bevor er allem zustimmte.
    Das Geld war natürlich ein zusätzlicher Pluspunkt, wie man heutzutage sagte. Aber er hätte auch weniger als sein altes Gehalt akzeptiert, wenn nur die Hälfe von dem stimmte, was man ihm erzählt hatte. Außerdem würde sich bald zeigen, ob zumindest die technischen Details in Carls kurzer und geradezu vorbildlich präziser Darstellung der Wahrheit entsprachen. Wichtiger war jedoch, dass er von dem Wunsch besessen war, bis in alle Ewigkeit durch die Weltmeere zu fahren, um noch einmal auf die USS Memphis zu treffen, die ihm sein U-Boot, seinen besten Freund und seine Frau genommen hatte. Selbst als die beiden längst Freunde geworden waren und die Titel abgelegt hatten, verschwieg er Carl diese heimliche Besessenheit.
    Das ganze Theater war im Übrigen verständlich. Sie bildeten eine international zusammengesetzte Einheit, die sich in vieler Hinsicht von den straff organisierten russischen unterschied. Allein die Tatsache, dass man Weiber mit an Bord nahm!
    Er würde zwar einen Politruk, der Brigadegeneral war, und einen Vizeadmiral über sich haben, aber im Grunde war er der Kommandant, Rang hin oder her. Die Zweisprachigkeit an Bord würde die Sache zusätzlich erleichtern. Er würde die Befehle zunächst auf Russisch erteilen, und Carl sollte sie auf Englisch wiederholen. Dass diese Reihenfolge den Vizeadmiral zum Untergebenen des Kommandanten machte, war bisher noch niemandem aufgefallen.
    Das Theater war wichtig. Und umso leichter zu akzeptieren, wenn dieses umgebaute U-Boot der Alfa-Klasse nur die Hälfte der Versprechungen hielt, die Carl ihm in seiner knappen Rede gemacht hatte.
     
    Es war ein sonniger Juniabend im ungewöhnlich warmen Seweromorsk. Die K 601 war am äußersten Kai vertäut, der überdacht war, damit feindliche Satelliten das Boot nicht fotografieren konnten.
    Die gesamte Probebesatzung – noch hieß sie so – hatte sich in perfekter Ordnung an Deck aufgestellt. Sie hatten gute Sicht auf den Mann, der über den langen Pier schritt. Nicht einmal Putin hätte es besser inszenieren können, dachte Kapitän zur See Anatolij Petrow, der in der Reihe der Offiziere an zweiter Stelle über der Mannschaftsreihe stand.
    Als sich der Vizeadmiral dem Landungssteg näherte, konnte man bereits die Lichtreflexe auf dem fünfzackigen Goldstern und andere Details seiner Uniform erkennen. Der Held Russlands blieb

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