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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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passieren würde.
    Es war ein Segen, eine Zeit lang nur Passagier zu sein. Der Einkauf der Kleidungsstücke, DVDs und Medaillen hatte sie über die Maßen angestrengt. Wie eine Handelsvertreterin war sie sich vorgekommen. Außerdem hatte sie das Gefühl gehabt, Geld und vor allem Zeit zu verschwenden.
    Aber Carl hatte erstaunlicherweise recht gehabt. Kleider mach­ten Leute. Die Leutnants Peter Feisal, Marwan und Ibrahim hatten ihr das als Erste bestätigt. In ihren Offiziersuniformen strahlten sie eine ganz andere Würde aus. Nun war es geradezu undenkbar, dass einer der russischen Seeleute sich mit einem Schweinekotelett auf sie stürzte.
    Im Nachhinein musste sie zugeben, dass sie das Ganze, vor allem Carls intensive Bemühungen um bestimmte Regeln an Bord, lange Zeit für albernen Tinnef gehalten hatte. Eines Tages hatte er vorgeschlagen, sie solle einen grünen Pullover mit Rangabzeichen tragen, sich aber ansonsten genauso kleiden wie die anderen Offiziere an Bord. Er hatte ihr versichert, das sei bei Spezialisten anderer Waffengattungen auf U-Booten so üblich. Auf diese Weise würde sie tatsächlich für eine Spezialistin gehalten werden, und im Übrigen gebe der Generalsstern den Ausschlag. Eine Zeit lang hatte sein Arbeitszimmer in Seweromorsk an ein Modeatelier erinnert. Er hatte sogar neue Unifor­men für die Mannschaft entworfen, bei denen das blau-weiß gestreifte Unterhemd immer gut zu sehen war. Manchmal hatte sie sich gefragt, ob ihr bei der Überprüfung seines Geisteszustands nicht doch etwas entgangen war. Vor allem beim zeitaufwendigen Shoppen in Stockholm oder Rom, wo sie sich die Hacken abgelaufen hatte, um die verhassten Bestellungen aufzutreiben.
    Aber es hatte funktioniert. Die Schlussszene, in der Carl mit seinen Medaillen durch die kräftige Abendsonne geschritten war – wie viel Mühe allein dieses verfluchte Detail gekostet hatte! –, war unbezahlbar. Hier wurde wirklich eine neue Ära des See­kriegs eingeleitet, hier vereinte sich eine internationale Truppe zu einer neuen Bruderschaft, die Besten der Besten aus verschiedensten Nationen. In dem Augenblick, als er über die Landungsbrücke kam, veränderte sich alles. Die K 601 verwandelte sich, und wundersamerweise steckten hinter dieser Ver­wandlung nicht Geld und Technologie, sondern nur Theater und Psychologie. Aber es hatte funktioniert! Er hatte recht gehabt, sie hatte falsch gelegen und ihm das später, ganz ohne Widerwillen, sogar gesagt.
    Er hatte nur mit den Schultern gezuckt und erklärt, man könne das technische Wunderwerk, das einem zur Verfügung stehe, nur nutzen, wenn man die Besatzung zu einem Team zusammenfüge, in dem jeder den anderen unterstütze. So einfach war das. Und es war die richtige Konsequenz aus den katastrophalen Erfahrungen der ersten großen Übung der K 601.
    Von nun an fußte die Inszenierung auf seinem Rang. Die drei Admiralssterne unterbrachen jegliche Tätigkeit in jedem Raum, den er betrat. Irgendjemand brüllte: »Admiral an Deck!«, und alle standen still. Er musste dann streng um sich blicken, nicken und auf Russisch und Englisch Weitermachen befehlen.
    Er ging herum und wies auf kleine Nachlässigkeiten hin, verscheuchte einen ungeduschten Maschinisten aus der Messe oder hob im Maschinenraum einen Fussel auf. Eigentlich trat er eher wie ein Bootsmann auf als wie der Oberbefehlshaber der Flotte. Doch auch das funktionierte. Alle wussten oder glaubten zumindest zu wissen, dass er bei der Entscheidung, wer bleiben durfte und wer nicht, das letzte Wort haben würde. Zwei triftige Gründe hielten die Mannschaft davon ab, sich mit dem Vorgesetzten anzulegen: Geld und das große Abenteuer. Niemand bezweifelte, dass ihnen ein solches bevorstand. Eine Autonomka, die es wert war, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Was U-Boot-Seeleute sowieso immer taten.
    Dabei leistete er als Personalchef am meisten. In seiner Kabine hing ein sorgfältig ausgetüftelter Dienstplan. Da er wie alle hohen Offiziere eine Kajüte für sich allein hatte, konnte er sich den Tag frei einteilen. Nach dieser Übungsfahrt wollte er mit jedem Mann an Bord einmal gefrühstückt, zu Mittag oder zu Abend gegessen haben. Auf diese Weise konnte er nicht nur Vorstellungsgespräche führen, sondern auch die Kameradschaft stärken und die Distanz zwischen Offizieren und Mannschaft abbauen. Letzteres war in Russland eher unüblich.
    Carl wusste, was er tat. Er spielte seine Rolle perfekt, und dass seine Inszenierungskünste eine

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