Coq 11
mitten auf dem Landungssteg stehen, erwies der blau-weißen Flagge der russischen Flotte und dem wachhabenden Leutnant seine Ehre und bat um Erlaubnis, an Bord zu kommen. Welche der Leutnant erteilte, Theater ist eben Theater, dachte Anatolij Petrow.
Anschließend geleitete der Leutnant den Vizeadmiral bis zu einem bestimmten Punkt vor der aufgestellten Besatzung, befahl Strammstehen und verzog sich nach einigen Verrenkungen wieder. Alle starrten den Vizeadmiral an, der sie mit regungslosem Gesicht musterte, bevor er zu sprechen anfing.
»Genossen Offiziere und Seeleute!«, begann er. »Dies ist die letzte Übung vor einem sehr großen Einsatz, einer Autonomka, die in die Geschichte eingehen wird, und ich bin stolz, Ihr Befehlshaber zu sein, und werde alles tun, damit Sie auch stolz auf mich sein können.«
Nachdem er das Ganze auf Englisch wiederholt hatte, kam er zum wichtigen Teil seiner Rede.
»Genossen! Wir werden uns nun aufmachen zu einer vierwöchigen, vielleicht auch längeren Übung. Es wird hart werden. Wir haben viele Tests vor uns. Aber vor allem wollen wir Sie, die besten Seeleute Russlands. Wir stellen hohe Anforderungen. Unsere Besatzung hat zehn Männer zu viel, zehn von Ihnen werden also beim nächsten Mal, wenn es ernst wird, nicht mehr dabei sein. Wer gegen die Regeln an Bord verstößt und sich zum Beispiel den weiblichen Offizieren gegenüber respektlos verhält – ich denke, vor allem unsere russischen Kameraden müssen sich hier ein wenig umstellen –, fliegt raus. Enttäuschen Sie mich nicht. Enttäuschen Sie nicht sich selbst!«
Dann sagte er etwas auf Englisch, ließ aber die Bemerkung über die besten Seeleute Russlands weg. Anschließend befahl er: »Rühren!«, und begrüßte alle persönlich. Er begann bei dem weiblichen Brigadegeneral und arbeitete sich durch die Reihe der Offiziere, in der auch die Schiffsärztin stand, die den Rang eines Fregattenkapitäns erhalten hatte.
Seltsamerweise begnügte er sich nicht damit. Er ging durch alle Reihen, grüßte jeden auf militärische Art und gab allen die Hand. Das dauerte eine Weile. Schließlich begab er sich wieder zur U-Boot-Leitung und befahl dem Kapitän zur See, das Kommando zu übernehmen und abzulegen. Eine überzeugende Vorstellung.
Als alle Routinebefehle abgehandelt waren und man sich in zweihundert Metern Tiefe auf sicherem Weg durch die Lizabucht befand, zog sich Anatolij Petrow in seine überraschend große Kabine mit den zwei Kojen zurück. Er legte sich hin, verschränkte die Hände im Nacken, starrte an die Decke und machte sich so seine Gedanken.
Es sah gut für ihn aus. Seit Jekaterinas Tod war er dem Glück nicht so nahe gekommen. Die K 601 war für ihre Zwecke perfekt gebaut, daran gab es nichts zu rütteln. Noch vor einem knappen Monat hatte er knietief in der Scheiße gesteckt. Nun lag er wieder in der Kommandantenkajüte. Das Leben war seltsam.
Eine Schiffsreise, dachte Mouna. Immer habe ich von einer Schiffsreise geträumt, am liebsten bei Mitternachtssonne durch die Arktis. Eine kurze Reise.
Sie hatte mit der Leitungsgruppe auf dem Turm gestanden, als die K 601 langsam in die Bucht hinausglitt. Es war nach elf Uhr abends, Sonnenstrahlen glitzerten auf dem blauen Meer und Möwen kreischten. Nach zwanzig Minuten hatte Anatolij die Geduld verloren und Carl angesäuert gefragt, ob es nicht allmählich Zeit werde.
»You are the boss, captain«, hatte Carl gesagt, aber keine Antwort erhalten. »Anatolij Waleriwitsch, Sie müssen sich im Sprachkurs mehr Mühe geben! Ich habe gesagt, dass Sie hier das Kommando führen.«
Anatolij hatte mürrisch genickt und seine Befehle gebrüllt. Zehn Minuten später waren sie stetig und leise auf zweihundert Meter Tiefe gegangen. In Mounas Kajüte war nichts außer dem leisen Rauschen der Klimaanlage zu hören. Das war also die Schiffsreise in der arktischen Mitternachtssonne gewesen, dachte sie. Erst in drei Wochen würden sie wieder an die Oberfläche kommen.
Die Atempause bekam ihr trotzdem gut, sie brauchte dringend Urlaub. Hier in dieser geräumigen Kabine mit Dusche und Bildschirm überkam sie beinahe Frieden. Dies war der letzte Schritt. Sie hatten sich unendlich weit von ihren einst so wilden Fantasien entfernt. Noch drei Wochen. Wenn alle Übungen und Tests klappten und keine besonderen Hindernisse auftauchten, mussten sie das U-Boot nur noch frisch beladen, die letzten Waffen an Bord holen und Kurs auf Israel nehmen. Wahnsinn, dass es schon so bald
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