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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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aus persönlichen Gründen, denn er empfand ihr gegenüber nicht nur Respekt, sondern auch Schuld. Er hatte ihren Neffen umgebracht, und er hatte ein für alle Mal beschlossen, ihr niemals zu erzählen, warum ihr Mann – verdientermaßen – gestorben war. Weil er versucht hatte, Atomwaffen aus der zerfallenden Sowjetunion hinauszuschmuggeln.
     
    Widjajewo war nur ein Pickel am Arsch von Russland, pflegte er zu sagen. Trotzdem hatte er es länger als zwanzig beschissene Jahre in dem arktischen Kaff ausgehalten. Genützt hatte es nichts. Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass er dort irgendjemandem von Nutzen gewesen wäre. Dabei war es in seiner Jugend seine feste Absicht gewesen, etwas Nützliches zu tun. Auf der Marinehochschule in Leningrad, oder Sankt Petersburg, wie die verdammten Zaristen es nun nannten, hatte er sich immer wieder gesagt: Ich will zu etwas nütze sein.
    Nun war alles verloren. Seine Lebensfreude war verschwunden, seitdem seine Frau Jekaterina im Jahr nach dem Untergang der Kursk verstorben war. Mit der Kursk war auch sein bester Freund in der Tiefe verschwunden. Es war eine riesengroße Scheiße, dass er und Wassilij damals die Schicht getauscht hatten. Eigentlich hätte er selbst, Anatolij Petrow, auf der letzten Reise der Kursk das Kommando führen sollen und nicht sein bester Freund Wassilij Orlow.
    Jekaterina hatte auf ihre rührselige Weise versucht, das Ganze mit Gottes Willen zu erklären. Dessen Wege seien unergründlich, hatte sie gesäuselt. Das war die einzige Seite an ihr, mit der er sich nie hatte anfreunden können. Es war bekannt, dass viele Ehefrauen der U-Boot-Flotte solches Zeug faselten. Normalerweise wäre es also kein Grund zum Streiten gewesen, doch es ging ihm gegen den Strich, irgendeinen Gott in die Sache mit hineinzuziehen, wenn alle wussten, dass die Amerikaner die Kursk versenkt hatten.
    USS Memphis, dachte er. Gäbe es Gott wirklich und wäre er wirklich ein guter Gott, hätte er dafür gesorgt, dass ein kleiner russischer Kapitän zur See da unten auf der Erde das Kommando auf einer Schwester der Kursk hätte führen und ein zweites Mal auf die USS Memphis treffen dürfen.
    Aber so gut war Gott eben nicht. Der Mistkerl da oben hatte seine treuherzige Anhängerin Jekaterina im Jahr darauf auch noch mit einem Herzinfarkt belohnt. Zumindest behaupteten das die Marineärzte; ein massiver Herzinfarkt infolge verschiedener Faktoren: zu fettes Essen, Rauchen, Stress, die Angst einer jeden U-Boot-Gattin und Veranlagung.
    Ohne Jekaterina hatte sein Leben keinen Sinn mehr. Seine untüchtigen Söhne waren nach Moskau gezogen und betrieben dort angeblich irgendein »Bizznizz«, das ihnen immerhin je einen Mercedes und unfassbar geräumige Wohnungen mit Wasserhähnen aus Gold beschert hatte. Seine Tochter, diese dumme Gans, hatte sich nach Leningrad beziehungsweise Sankt Petersburg abgesetzt und einen arbeitslosen Dichter mit langen Haaren geheiratet.
    An Land hatte er nur Jekaterina gehabt. Es wäre nicht nur besser, sondern auch gerechter gewesen, wenn er in der Kommandozentrale der Kursk gesessen hätte, als ein Mark 48 der USS Memphis in ihren Rumpf eingeschlagen war. Wassilijs Ehefrau Maria war bei bester Gesundheit. Wassilij könnte also noch mit ihr zusammen sein, während seine Jekaterina das Zeitliche ohnehin kurz nach seinem eigenen Tod gesegnet hätte. Vielleicht hätten sie sich im Himmel sogar wiedergesehen. Wer wusste das schon.
    Doch wenn er und nicht Wassilij damals im August 2000 …
    Nun kehrten die zwanghaften Gedanken zurück, die er nicht loswurde. So sehr er die Sache auch drehte und wendete, er konnte noch immer nicht begreifen, warum Wassilij nicht einfach an die Oberfläche gestiegen war, nachdem der Torpedo die Kursk getroffen hatte. Heute wusste man, dass er auf diese Weise einen Großteil der Besatzung gerettet hätte. Zwischen dem Einschlag des Torpedos und der Explosion hatten zwei Minuten gelegen.
    Einige Sekunden nachdem der Torpedoraum explodiert war, waren wahrscheinlich alle, die in der Manöverzentrale gesessen hatten, gestorben. Aber zwei Minuten Bedenkzeit waren in einer solchen Krisensituation nicht wenig. Wassilij hätte innerhalb von dreißig Sekunden an der Wasseroberfläche sein können. So aber waren hundertachtzehn Männer durch Feuer und eindringendes Wasser schnell umgekommen, und darüber hinaus waren dreiundzwanzig Männer aus politischen Gründen einen langsamen Tod gestorben.
    Er selbst hätte die Kursk nach dem Treffer ohne zu

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