Coq 11
sollen?
An dieser Stelle unterbrach ihn der Admiral zum ersten Mal und fragte mit hochgezogenen Augenbrauen, ob es tatsächlich eine Einheit gebe, die »palästinensische Flotte« genannt werde. Diese Zwischenfrage erschien Hassan Abu Bakr so formell und nebensächlich, dass er beinahe den roten Faden nicht wiedergefunden hätte.
Jedenfalls war im Nachhinein natürlich klar gewesen, dass die Sache nicht hatte gelingen können. Von Anfang an war die Frage eigentlich nur, wie viele von ihnen sterben und wie viele im Gefängnis landen würden.
Ziel ihrer Operation war Israels Militärhafen in Haifa. Der Auftrag bestand darin, mit den Tauchbooten so nahe wie möglich an den Hafen heranzukommen, in kleineren Gruppen weiterzuschwimmen, Magnetminen an den Kriegsschiffen zu befestigen, einen Zeitzünder einzuschalten, wieder zu den wartenden U-Booten zu schwimmen und innerhalb einer Stunde an die freie libanesische Küste zurückzukehren.
An dem Plan war nichts auszusetzen. Nur wurde ihr Anführer, ein schwedischer Kampftaucher, den ihnen die PFLP geschickt hatte, in letzter Sekunde leider verhindert. In diesem Augenblick hätte man hellhörig werden müssen. Aber sie waren alle bis unter die Augenbrauen vollgepumpt mit Adrenalin, hatten sich so lange vorbereitet und so viel trainiert, dass sie dringend einen Sieg brauchten.
Als sie in den Hafen hineinschwammen, wurden sie bereits erwartet, mit Handgranaten beworfen und gefangen genommen. Von diesem Schweden hörte man nichts mehr. Sollte Hassan Abu Bakr jemals wieder einem schwedischen Taucher begegnen, dann gnade ihm Gott.
In der ersten Zeit der Gefangenschaft wurden sie nicht einmal gefoltert. Ihre geplatzten Trommelfelle und die Kopfschmerzen machten ihnen genug zu schaffen. Das Geräusch einer Handgranate werde unter Wasser vervielfacht, man habe das Gefühl, der Kopf platze, und treibe bewusstlos an die Oberfläche wie ein toter Fisch. Warum man nicht untergehe, sei schwer zu beantworten, vermutlich drücke man in letzter Sekunde die Knöpfe an der Rettungsweste.
Acht Jahre saß er im Gefängnis von Ramleh, bevor er ausgetauscht beziehungsweise – im Zuge irgendeiner Friedensverhandlung oder weil die israelischen Gefängnisse mit Palästinensern überfüllt waren – freigelassen wurde. Dies war das einzige Gebiet in der Welt Israels, in der die Palästinenser eindeutig in der Überzahl waren. Er hatte mal etwas von fünfundzwanzigtausend Häftlingen gehört.
In der Folter wollte man Namen von Personen aus ihnen herauspressen, die der schwedische Agent nicht gekannt hatte. Alles, was mit Stützpunkten, Landungsbrücken und Übungsplätzen zu tun hatte, war uninteressant geworden, weil es ohnehin zerbombt worden war, nachdem man sie gefasst hatte.
Was und wie viel seine Kameraden aussagten, erfuhr er nie. Es dauerte Jahre, bevor sie sich im Gefängnis überhaupt wiedersahen. Die meiste Zeit verbrachten sie in Isolationshaft, im sogenannten Loch. Das war ein schwarzer kalter Betonkäfig von einem Kubikmeter, in dem man einen Monat am Stück nackt und ohne Toilette zubrachte. Dann kamen sie in ihren gelben Gummioveralls mit Plexiglas vor den Gesichtern, schleiften den Gefangenen heraus und spritzten ihn mit eiskaltem Wasser aus einem Hochdruckstrahler ab.
Als er endlich freigelassen und ausgewiesen wurde, weigerte sich der Libanon, ihn wieder aufzunehmen. Zum Glück war Mouna al-Husseini dagewesen. Er war nach Tunesien gekommen und hatte wieder begonnen, mit U-Booten und Kampftauchern zu trainieren. Das war seine ganze Geschichte. Seine palästinensischen Kameraden kämen alle vom selben Ort, seien also genau wie er »Tunesier«.
Der Admiral hatte seiner Erzählung mit konzentrierter Aufmerksamkeit gelauscht, aber keinerlei Gefühlsregung gezeigt. Die Rotweinflasche hatte er fast allein ausgetrunken, denn Hassan Abu Bakr begnügte sich mit einem Glas.
»Zu Ihrer Geschichte gäbe es viel zu sagen, Leutnant«, sagte Carl, nachdem Hassan Abu Bakr geendet hatte. »Lassen Sie mich vorerst nur meine Bewunderung zum Ausdruck bringen. Für einen Taucher, der sein Training acht Jahre unterbrochen hat, haben Sie heute Wahnsinniges geleistet. Sagen Sie, in Ramleh durften Sie außer dem Koran nichts lesen?«
»Das stimmt, Admiral. Die normalen Kriminellen konnten lesen, was sie wollten, und fernsehen, aber bei den politischen Häftlingen war es anders.«
»Kommt mir bekannt vor. Sind Sie gläubig geworden?«
»Ja und nein, Admiral. Ich glaube an Gott,
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