Coq 11
noch einmal durch. Wenn der Feind tödliche Schläge gegen die Gläubigen ausführte, mussten sie zurückschlagen. Aber die erste Frage war, wie und gegen wen?
Es wie die Gymnasiasten aus Leeds zu machen und U-Bahn-Fahrgäste in London zu töten, war in jeder Hinsicht falsch. Nur Betrüger wie der selbst ernannte Imam Abu Hamza konnten etwas anderes behaupten – zum Schaden für die Sache der Gläubigen und allein zur eigenen ebenso selbstherrlichen wie sündhaften Freude. Und genau deshalb saß er dort, wo er hingehörte: im Belmarsh-Gefängnis.
Abu Ghassan zeigte ihnen, dass der Koran zwei Wege beschrieb. Den einen, auf Gott zu vertrauen und ihn um Hilfe zu bitten, verstand jeder. Wie in den Versen zweihundertfünfzig bis zweihunderteinundfünfzig der zweiten Sure:
Und als sie wider Goliath und seine Scharen auf den Plan traten, sprachen sie: » Unser Herr, gieße Standfestigkeit über uns aus und festige unsere Füße, hilf uns wider das Volk der Ungläubigen.
Und so schlugen sie mit Allahs Willen, und es erschlug David den Goliath; und Allah gab ihm das Königtum und die Weisheit und lehrte ihn, was Er wollte. «
Das war also laut Abu Ghassan der einfache Weg. »Wer würde in seiner Angst nicht um Gottes Hilfe bitten, wenn er Goliath gegenübersteht? Aber Gott verlangt mehr von uns und vor allem von denjenigen, die Er mit Verstand ausgestattet hat.«
Daher sollten Peter Feisal, Marwan und Ibrahim besonders die dritte Sure, Vers einhundertneunzig beachten:
Siehe, in der Schöpfung der Himmel und der Erde und in dem Wechsel der Nacht und des Tages sind wahrlich Zeichen für die Verständigen.
Gott äußerte sich also über die Bedeutung der Naturwissenschaften und die Pflicht eines Wissenschaftlers, seinen Verstand und seine Begabung zu nutzen.
Ungefähr so war die Diskussion verlaufen.
Natürlich war es eine Art Falle gewesen – das ließ sich im Nachhinein leicht sagen. Eines Tages hatte ihr normalerweise so lässig-ironischer Imam mit ernster Miene gesagt, er müsse ihnen etwas Gefährliches und Wichtiges mitteilen. Für den Fall, dass die Moschee abgehört werde, gehe man besser in den Park.
Zwischen Touristen, jungen Frauen mit Kinderwagen, Vögel fütternden Rentnern und anderen freundlichen Menschen, die ihr Lunchpaket in der noch immer milden Spätsommersonne verzehrten, hatte sich Abu Ghassan als vollkommen anderer Mensch gezeigt. Er war angespannt und tiefernst, als er ihnen eröffnete, dass er einer der geheimsten und mächtigsten Widerstandsbewegungen der Welt angehöre. Er habe ihnen eine wahrhaft bedeutsame Mitteilung zu machen. Vielleicht seien sie berufen worden.
Das bedeute nicht, dass sie auserwählt seien, sondern dass sie auf die Probe gestellt würden. Genaueres könne er ihnen im Moment nicht sagen – falls jemand einen Rückzieher machen wolle –, aber es seien großer Mut und fester Glaube an die gute Sache erforderlich und es sei unumgänglich, dass man wie ein englischer Gentleman auftreten könne. Was ja bei ihnen dreien zufällig gegeben sei.
Zuerst schien es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Wenn ausgerechnet Abu Ghassan, der ihren kriegerischen Eifer die ganze Zeit gebremst und ihnen immer wieder eingeschärft hatte, dass sie auf ein Zeichen, auf die wahre Berufung warten sollten, wenn ausgerechnet er so überzeugt war, dass der Augenblick gekommen war, bestand kein Zweifel mehr. Es konnte einem schwindlig werden.
Als sie sich wieder beruhigt hatten, waren ihnen dennoch leise Zweifel gekommen; ganz abgesehen von der Angst, die sie befiel. Doch wenn dieser so überzeugend wirkende Gottesmann in Wahrheit ein Wahnsinniger war, der sie manipuliert hatte, würden sie das bestimmt bald merken.
Irgendwo im Hintergrund gab es offensichtlich eine starke Organisation. Ein Mann, den Peter Feisal noch nie gesehen hatte, steckte ihm freundlich zwinkernd einen Zettel in die Tasche, als er in Ruhe in der Moschee beten wollte. Auf dem Zettel standen nur eine Uhrzeit, eine Adresse in Kensington und die Beschreibung eines kaputten Briefkastens. Als er dorthin ging und in den Briefkasten griff, hatte er das Gefühl, seine Hand in eine Mausefalle zu stecken. Er fischte einen irischen Pass heraus.
Drei Kilometer entfernt setzte er sich auf eine Parkbank, schaute sich um und schlug den Pass auf. Ihm wurde eiskalt, als er sein eigenes Bild in dem, soweit er das beurteilen konnte, vollkommen echt wirkenden Pass sah. Sein Name lautete nun David Gerald Airey.
Marwan und Ibra erging
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